Anfang Mai 2021 erscheint mein Deutschland-Wanderer Buch. Dieses unterscheidet sich inhaltlich stark von den Texten auf der D-Wanderer-Homepage. Im Buch beschränke ich die online sehr umfangreichen Streckenbeschreibungen auf die wesentlichen Elemente und erzähle statt dessen viel mehr über meine Erlebnisse und persönlichen Eindrücke beim Abenteuer Fernwanderung. Weitere Infos stehen hier: https://d-wanderer.de/aktuelles.php
Nach meiner recht schneearmen Tour auf dem Mittelweg hatte ich gehofft, dass Ende Januar die Schneegrenze endlich wieder sinkt, wenn ich die östliche Variante des Westweg wandere. Doch die ersten Kilometer ab Titisee erinnern bei trübem Wetter eher an späten Herbst statt an Winter.
Oberhalb von Hinterzarten komme ich an einem Schild vorbei, das darauf hinweist, dass hier auf dem Skifernwanderweg Schonach-Belchen Wanderer und Langläufer gegenseitig Rücksicht nehmen sollen. Langläufer? Noch muss ich ein paar Kilometer weit wandern, bis meine Schuhe Schnee berühren.
Nun scheint zwischendurch für kurze Zeit die Sonne, was ich zu einer Rast mit Feldbergblick nutze.
Dann erreiche ich endlich die höheren Bereiche, an denen der Schnee noch nicht geschmolzen ist.
Im dauerhaften Schatten des Feldbergs ist der Weg etwa 150 m weit unter einem gefrorenen Bach völlig vereist, aber am Rand kommt man einigermaßen voran.
Dann wird es richtig winterlich. Über einen fast baumlosen Hang marschiere ich durch festen Schnee bergauf.
Vermutlich treffen sich alle Schwarzwaldurlauber auf der Suchen nach dem letzten Schnee hier oben. Auf den erhofften Alpenblick muss ich heute verzichten, die Sicht reicht nur bis zum Jura.
Selbst am Feldberg finden Skifahrer heute nur auf der mit Schneekanonen präparierten Piste gute Verhältnisse. Die meisten sitzen unten auf den Terrassen vor den Lokalen, wo Discomusik für die angeblich passende Stimmung sorgt.
Ich habe ein Zimmer in einem Hotel im Ortsteil Hebelhof gebucht, dessen Lage genau zwischen den beiden Skigebieten Feldberg und Herzogenhorn ideal ist. Doch wenige Minuten nachdem ich mein Zimmer betreten habe, will ich am liebsten fliehen. Ein lautes Brummen mit einer sehr tiefen Frequenz bereitet mir schon nach kurzer Zeit Kopfschmerzen. Vermutlich stammt dieser Lärm, der sogar die Möbelstücke leicht vibrieren lässt, von einem Generator. Wenn irgendwo auf der Welt die Polizei Gefangene in einem Raum mit solcher akustischer Folter bringen würde, wäre dies ein Fall für Amnesty International. Zum Glück endet diese Plage vor 21 Uhr, sonst könnte ich vermutlich heute keine Minute schlafen.
Der Aufstieg durch das Skigebiet am Herzogenhorn führt fast immer so gut am Rand der Pisten entlang, dass es keine Probleme gibt. Um 9:30 Uhr sind ohnehin nur wenige Skifahrer unterwegs.
Nach dem etwas anstrengenden Aufstieg geht es etwas flacher weiter. Bald sehe ich den fast baumlosen Gipfel des Herzogenhorn vor mir.
Der Westweg bleibt etwas unterhalb des mit 1415 m zweithöchsten Schwarzwald-Gipfels, doch natürlich wandere ich das kurze Stück hinauf. Oben überzieht eine dünne Eisschicht die Sträucher, aber der Weg bleibt eisfrei. Nun geben die Wolken auch die Sicht zum Feldberg frei.
Lange bleibe ich am Gipfel und genieße den Blick in alle Richtungen.
Die nächsten Stunden über wandere ich mal auf Schnee, mal auf Waldboden, nur ganz selten sind zwischendurch ein paar Meter etwas vereist.
Nachdem ich die erste Hälfte des Tages über mehr auf breiten Forstwegen wandere, führt der Westweg am Mittag oft über schmale Wege oder Pfade. Heute ist dies ideal, doch bei tiefem Neuschnee würde ich hier wohl sehr langsam voran kommen. Zwischendurch sehe ich in der Ferne den heute schneefreien Belchen.
Am 1310 m hohen Blössling wandere ich noch einmal kurz oberhalb der Schneegrenze.
Ich fühle mich pudelwohl und marschiere gut gelaunt voran. Da es inzwischen recht trüb ist, verzichte ich am Hochkopf auf die Besteigung des Aussichtsturms. Kurz nach dem Weißenbachsattel verlasse ich den Westweg und gehe ein kurzes Stück hinab nach Todtmoos-Weg, wo ich im Gersbacher Hof übernachte. Wenn ich eine Top 10 der Hotels meiner bisherigen 9000 D-Wanderer Kilometer erstellen würde, müsste dieses hinein. Hier passt alles! Außergewöhnlich sind auch die großen, sehr gut bestückten Bücherregale in der Sauna. Hier könnte ich die ganze Nacht über durch Reiseführer blättern, und wenn Annette dabei wäre, kämen wir wegen der vielen tollen Kochbücher heute kaum zum Schlafen. Das Menü beim Abendessen ist auch klasse!
Zehn Minuten nach dem Aufbruch peitscht mir ein heftiger Schneesturm spitze Eiskristalle mit voller Wucht frontal ins Gesicht. Durch die eisbedeckten Gläser meiner Brille kann ich nichts mehr sehen, aber ohne sehe ich auch nicht mehr, da mir der Sturm den Schnee nun direkt in die Augen bläst. Schon nach wenigen Minuten bedeckt eine Schneeschicht den Boden. Die Temperatur sinkt rasant. Schon bedauere ich es, aufgrund der Wetterprognosen nur die dünnen Handschuhe eingepackt zu haben. Als würde der Blizzard nicht reichen, donnert es nun auch noch. Heute scheint ein interessanter Tag zu werden!
Zum Glück endet der Schneesturm nach 20 Minuten. Ein paar Kilometer weit wandere ich nun bei trockenem Wetter und nur noch mäßigem Wind auf breiten Forstwirtschaftswegen. Anfangs liegt weicher Neuschnee unter meinen Füßen und die Bäume um mich herum sehen endlich auch wieder richtig nach Winter aus. Doch allmählich komme ich unter die Schneegrenze und das Weiß weicht wieder Grau.
Lange Zeit führt der Westweg nun durch Wald ohne Aussicht, dann am Waldrand entlang mit Blick zum Rheintal und hinüber zum Jura.
Nun marschiere ich über angenehme Naturwege. Ich sehe, dass der gestern noch schneefreie Belchen jetzt bis weit nach unten weiß ist.
Auf dem Hohe Möhr Aussichtsturm bin ich zum letzten Mal über 1000 m hoch. Die Alpen sehe ich bei dem Wetter natürlich heute nicht, aber auf Belchen, Feldberg und den Jura fällt nun vereinzelt sogar etwas Sonnenschein.
Wenn mich nicht ein um 180 Grad verdrehter Wegweiser (vermutlich eine Folge von Forstarbeiten) zwei Kilometer vor Hasel in die falsche Richtung geschickt hätte, wäre ich trocken ans Ziel gekommen. So erwischt mich der Regen 200 m vor dem Landgasthof.
Der Schwarzwald liegt nun hinter mir. Heute wandere ich meist über Wiesen und Felder, nur ab und zu durch Wald.
Mit häufigem Wechsel zwischen kurzen, leichten Auf- und Abstiegen ist diese Etappe sehr leicht. Bei Sonnenschein würde sie mir wohl gefallen, aber heute bleibt es grau und dunkel. Sowohl die Gipfel des Schwarzwald rechts von mir als auch der Jura Links werden von tiefen Wolken verhüllt.
Zwischendurch komme ich an einer Senke vorbei, die manchmal vom Eichener See gefüllt wird. Ein mit Platten gepflasterter Weg umrundet die Doline, in der nur bei hohem Wasserstand der See an die Oberfläche dringt.
Unterwegs spaziere ich durch ein Waldstück, in dem viele Nistkästen phantasievoll bemalt wurden.
Zwischendurch regnet es stark. Die Sicht rundum schwindet immer mehr. Vom Aussichtspunkt Hohe Flum kann man bei gutem Wetter auf der einen Seite den Schwarzwald, auf der anderen den Jura sehen, heute aber nicht.
Normalerweise bin ich ein wetterfester Wanderer, doch bei diesen Verhältnissen habe nun sogar ich keine Lust mehr, dem Westweg bis zum Ende in Basel zu folgen.
Daher steige ich bereits in Degerfelden in den Bus.