Die Wiesengänger Route der Wandertrilogie Allgäu führt 438 km weit durch das Voralpenland. Nach dem wochenlangen "Lockdown" reicht nun meine Zeit aber nur noch für 219 km auf der südlichen Streckenhälfte. Ich wandere diesen offiziell in 12 Etappen eingeteilten Abschnitt in 8 Tagen. Zwischen Egolfs und Marktoberdorf führen die Wiesengänger- und die Wasserläufer-Route über dieselbe Strecke.
Momentan hängt eine Schlechtwetterfront mit wahrhaft nicht frühsommerlicher Temperatur über Deutschland. Gleich am Bahnhof von Leutkirch ziehe ich meinen zusätzlichen Regenschutz über meine normale Jacke und Wanderhose. Nur kurz schaue ich in die Altstadt. Die ersten Kilometer marschiere ich auf völlig ebenen, asphaltierten Wegen und komme daher schnell voran. Dann führt mich ein kurzer Kiesweg hinauf zum Renaissance-Schloss Zeil.
Dieses gefällt mir so gut, dass ich mir viel Zeit nehme, das weitläufige Gebäudeensemble mit seinen schönen Brunnen und dem großen Park anzuschauen. So etwas ist eine ideale Beschäftigung für Regentage und macht auch heute Spaß.
Nach dem großen Schloss erwarte ich, dass auch die Josefskapelle, zu der mich nun der Wegweiser führt, ein prächtiges Bauwerk ist. Statt dessen steht am Ende eines Kreuzwegs ein winziges, aus Holz erbautes Kapellchen. Aber auch dies hat Charme.
Noch eine Weile wandere ich durch Wald. Dann führt mich die Route ein paar Tage lang durch die für das Allgäuer Voralpenland typische Landschaft mit vielen sanft geformten Hügeln und kleinen Bergen sowie einer Mischung aus vielen Wiesen, kleinen Wäldern, winzigen Dörfern und einzelnen Bauernhöfen. Trotz strömendem Regen bin ich froh, wieder unterwegs zu sein. Vom Aussichtspunkt Wachbühl könnte ich bei gutem Wetter einen herrlichen Blick auf die Alpen genießen. Heute reicht die Sicht gerade mal zwei, drei Kilometer weit. Doch gerade bei dieser Witterung macht die Wiesengänger Route mehr Spaß als eine Wanderung näher am Gebirge. Hier gibt es auch bei Regen unterwegs genug zu sehen. Ich empfinde so eine friedliche Hügellandschaft immer als sehr entspannend.
Dann geht es durch ein hübsches Tal mit einem plätschernden Bach. Schließlich erreiche ich einen der Höhepunkte der Wiesengänger Route. Das Wurzacher Ried ist eines der größten Naturschutzgebiete in Süddeutschland.
Sein Kernbereich gilt als das größte zusammenhängende und noch intakte Hochmoor in Mitteleuropa. Nicht nur bei Sonnenschein lohnt sich ein Besuch. Auch für Allgäu-Urlauber, die bei Regen auf eine Gebirgswanderung verzichten, bietet sich dieses als hervorragende Alternative an.
Mehrere Kilometer weit spaziere ich mit großer Begeisterung durch diese faszinierende Landschaft. An einigen Stellen zweigen kurze Bohlenstege zu besonderen Aussichtspunkten ab. Manchmal wandere ich über Bohlenstege, manchmal über schmale, idyllische Pfade. Es gibt so viel zu sehen, staunen und fotografieren, dass ich nur extrem langsam vorankomme. Aber ich habe genug Zeit und kann jeden Meter genießen.
Ein kurzer Verbindungsweg führt nach Bad Wurzach, dem offiziellen Endpunkt dieser Etappe. Aber ich will heute noch ein paar Kilometer weiter wandern.
Auch die nächsten Kilometer führen mich durch die Vielfalt der herrlichen Moor- und Riedlandschaft. Informationstafeln zeigen, dass diese Landschaft nicht ausschließlich auf natürliche Weise entstand. Jahrhundertelang wurde hier Torf gestochen. Auch einige Seen wie zum Beispiel der Riedsee bekamen ihre heutige Gestalt erst durch den Torfstich.
Ein lehrreicher und wunderschöner Torf-Lehrpfad sowie ein Torfmuseum bieten weitere Informationen. Irgendwann will ich hier mal einen ganzen Tag verbringen.
Nach langer Zeit in diesem Naturparadies folgen noch ein paar Kilometer über Wiesen, dann erreiche ich den Bad Wurzacher Ortsteil Ziegelbach, wo ich heute übernachte.
Nach ein paar Kilometern durch Wald und über Wiesen erreiche ich den Rohrsee. Schon von weitem höre ich das Gekreische der vielen verschiedenen Vögel, die hier leben. Doch dieser See ist nicht wegen der Vögel sondern vor allem geologisch etwas Besonderes. Sein Wasser fließt nur unterirdisch ab. Da er aber exakt auf der Europäischen Hauptwasserscheide liegt, fließt ein Teil seines Wassers in Richtung Donau und Schwarzes Meer, ein anderer Teil in Richtung Rhein und Nordsee.
Auch heute bietet die Strecke keine steilen Auf- oder Abstiege. Über meist bequeme Wege wandere ich mal auf Wiesen, mal kurz durch Wald, insgesamt aber etwas zu oft auf Asphalt.
Schon früh erreiche ich Eintürnenberg. Von hier aus wären es nur noch wenige Minuten bis nach Eintürnen, wo eines der offiziellen Etappenziele ist.
In dieser sanften Hügellandschaft komme ich heute oft an Seen und Weihern vorbei. An jedem könnte ich eine Weile sitzen bleiben.
Zwischendurch hebt sich für kurze Zeit die Wolkengrenze ein wenig und ich sehe in der Ferne zumindest ein paar Alpengipfel, bald verbirgt das Grau aber wieder alles. Schade, denn eine Tafel an einem Aussichtspunkt zeigt mir, dass ich bei klarer Sicht hier vom Eiger bis zur Zugspitze sehr viele große Alpengipfel sehen könnte.
Aber immerhin erkenne ich heute noch die Nagelfluhkette mit dem Hochgrat.
Und auch wenn die trübe Witterung das Alpenpanorama beschränkt, kann sie nicht die Blumenpracht in den Dörfern mindern.
Dann erreiche ich Kißlegg. Zuerst führt der Weg am Neuen Schloss vorbei.
Doch den üppigen Barock in der Pfarrkirche St. Gallus und Ulrich bewundere ich ungestört.
Da es noch früh am Nachmittag ist und die Sonne weiterhin scheint, spaziere ich nun noch um den Zeller See herum.
Heute ist es sehr trüb, aber immerhin trocken. Erneut muss ich auf Alpenblick verzichten und mich auf die unmittelbare Umgebung beschränken.
Wieder begeistert mich ein großes Moor. Auf einem Rundweg durch das Arrisrieder Moos komme ich an sehr unterschiedlichen Lebensräumen vorbei.
An einem Aufschluss sieht man 10.000 Jahre Moorgeschichte. Da das Moor innerhalb von 1000 Jahren nur einen Meter in die Höhe wächst, kann man hier anhand von Pollenuntersuchungen feststellen, wie sehr sich die Zusammensetzung des Waldes während der stark wechselnden Klimaphasen der letzten Jahrtausende änderte.
Auf einer historischen Holzbrücke überquere ich die Untere Arge.
Bei Ratzenried komme ich mal wieder an einer Ruine einer ehemals prächtigen, prunkvollen Burg vorbei. Für mich sind solche Gemäuer eindrückliche Zeugnisse der Vergänglichkeit alles menschlichen Strebens.
Am Oberen Schlossweiher weisst mich ein Angler auf einen Adler hin, der am anderen Ufer entlang fliegt. Als ich mich ein Stück weiter auf eine Bank setze und etwas von meinem Proviant esse, laufen immer wieder Mäuse vor mir über den Kies.
Die kleine, noch von einer Stadtmauer umrahmte Altstadt gefällt mir sehr gut.
Vor allem die außergewöhnlich prunkvoll bemalten alten Stadttore begeistern mich.
Aber auch viele originelle Brunnen und Skulpturen bieten hier interessante Fotomotive.
Ich habe noch nirgends in Deutschland so viel blühenden Hollunder gesehen wie gestern und heute im Allgäu.
Ein besonderes Kleinod der heutigen Etappe ist der kleine, privat angelegte Kräutergarten Zellers. In diesem blühenden und sehr intensiv duftenden Paradies könnte ich lange verweilen.
Das graue Wetter reduziert die Landschaft auf die unmittelbaren Reize. Ich komme an einem momentan geschlossenen Moorbad vorbei. An so einem kühlen Tag wäre mir eine Sauna ohnehin viel lieber als ein Badesee.
Das Naturschutzgebiet Staudacher Weiher sieht zwar idyllisch aus, aber da eine stark befahrene Straße wenige Meter vom Ufer entfernt führt, ist dies kein Platz für eine schöne Rast.
Wieder komme ich in ein Naturschutzgebiet, in dem der Weg durch ein kleines Moor führt, aber auch Abstecher zu weiteren Mooren ermöglicht.
Schließlich sehe ich Isny vor mir. Der Bergzug des Adelegg, über den ich übermorgen wandern will, wird noch von Wolken verborgen.
Kurz vor Isny wandere ich im Naturschutzgebiet Bodenmöser über große Feuchtwiesen. Diese entstanden nicht auf natürliche Weise. Auf einer Aussichtsplattform steht an einer Tafel, dass hier einst ein dichtes Netz aus Wassergräben für die Wiesenwässerung angelegt wurde und man einen Teil der Fläche auch zum Bleichen von Leinen nutzte.
Am besten gefällt mir Isny aber außerhalb der Stadtmauer an einem kleinen Teich beim Kurhaus.
Schon bald nach Verlassen der Stadt komme ich am fast 100 Jahre alten Waldbad vorbei. Heute zelten hier auch viele Leute am Ufer.
Unter blauem Himmel sieht die Landschaft gleich noch viel schöner aus als während der letzten Tage!
Nach dem starken Regen der letzten Tage rauscht die Flut in der schmalen Schlucht des Eistobel besonders eindrucksvoll die vielen Wasserfälle hinab.
Der Steig durch die Schlucht ist deutlich anspruchsvoller als die Route der letzten Tage, aber dennoch spazieren hier auch viele Familien mit Kleinkindern. Am Eingang muss man 1,50 Euro Eintritt zahlen, doch das lohnt sich auf jeden Fall.
Während der nächsten Stunden wandere ich weit auf einen Berg hinauf, doch obwohl über mir nun meist blauer Himmel leuchtet, stecken die nahen Alpengipfel noch in den Wolken. Schade! Ohne Sicht auf Säntis und Hochgrat wandere ich weiter und erreiche schließlich mein Tagesziel Bolsternang.
Während dem Aufstieg zum Schwarzen Grat freue ich mich darauf, oben am mit 1118 m höchsten Punkt der Wiesengänger Route endlich die Alpen bei wunderbar klarer Fernsicht betrachten zu können. Enttäuscht erfahre ich dort, dass der Aussichtsturm wegen Corona geschlossen ist. Statt der Alpen sehe ich hier nun um mich herum nur Wald. Doch beim folgenden Abstieg sehe ich bald darauf die Nagelfluhkette.
Bald darauf genieße ich von der schon seit 1962 nicht mehr bewirtschafteten Schletteralpe einen wunderbaren Blick auf Säntis und einige Gipfel über dem Rheintal. In der Ferne schimmert der Bodensee.
Eine Weile sitze ich auf einer Bank und beobachte die vielen Hummeln und Schmetterlinge, die hier Nektar sammeln.
Die nächsten Kilometer führen meist durch Wald mit nur wenig Aussicht.
Nach dem Doppelort Eisenbach und Kreuzthal marschiere ich recht steil bergauf. Ich freue mich darauf, mich oben bei einem kleinen Gipfelkreuz und mit weiter Aussicht von der Anstrengung erholen zu können. Doch nachdem ich ein Weidegatter durchschreite, marschiert eine Herde Kühe zu mir und drängt sich bei meinem restlichen Aufstieg dicht um mich herum. Einige lecken an meinem Rucksack und an meinem verschwitzten Shirt. Schweiß ist Salz! Oben belagern die Kühe dann wie eine Wagenburg das Kreuz und lassen mich nicht zwischen ihnen hindurch gehen. Hier habe ich nicht die geringste Chance, mich auf die Bank zu setzen.
Vorübergehend komme ich nur an wenigen Aussichtspunkten vorbei. Erst nachdem ich beim Blockhaus eine Straße überquere und dann sehr steil bergauf gestiegen bin, erreiche ich einen Bergrücken mit Panoramablick in fast alle Richtungen. Hier oben landen sehr viele hübsche Käfer mit schokoladenfarbenen Flügeln und türkisfarbenem Kopf auf meinen Armen.
Bald darauf erreiche ich unterhalb des Funkturms am Blender den schönsten Aussichtspunkt der Strecke.
Kurz vor Ende meiner Etappe komme ich zu einem wunderschönen Pfingstrosengarten. Tolle Aussicht, dazu Pfingstrosen in vielen verschiedenen Farben und Formen - ein Paradies!
Nach etwa 20 Minuten Abstieg checke ich in Ermengerst im Landgasthof ein. Doch bei diesem herrlichen Wetter hält es mich nicht lange in meinem Zimmer. Gleich nach dem Abendessen wandere ich noch einmal hinauf zum Pfingstrosengarten und bleibe nun eine Stunde lang hier oben sitzen.
Leichter Dunst trübt ein klein wenig den Blick auf die Alpen, aber der wolkenlose Himmel verspricht einen herrlichen Wandertag.
Unter mir sehe ich die Stadt Kempten, die ich bald in weitem Bogen umgehe.
Zuerst spaziere ich hinauf nach Mariaberg, wo eine Kirche und ein schöner Biergarten zum Verweilen einladen. Aber so früh am Morgen marschiere ich natürlich gleich weiter.
Die Strecke zwischen Bahnhof Kempten und Durach könnte man auch gut mit dem Bus abkürzen, denn außer der Brücke über die Iller verpasst man auf diesen Kilometern nur langweilige Straßen.
Doch bald hinter Durach wird es wieder richtig idyllisch. Der Durachtobel hat einen völlig anderen Charakter als vorgestern der Eistobel. Auf dem kinderwagengerechten Spazierweg sind sehr viele Familien unterwegs. An einigen Stellen baden Kleinkinder im Bach. Dies ist eine wirklich perfekte Stelle, um dem Nachwuchs die Freude an der Natur zu vermitteln.
Der fünfminütige Abstecher auf einem steilen Weg hinauf zur Ruine Neuenburg lohnt sich nicht, denn oben stehen nur vom Wald umgebene belanglose Mauerreste.
Nach Verlassen des Baches führt mich der Weg ein paar Kilometer weit recht bequem durch Wald leicht bergauf.
Unterwegs komme ich am Dengelstein vorbei, dem größten Findling in dieser Region. Ein Gletscher schleppte einst den mehr als 8 Meter hohen und 1250 Tonnen schweren Klotz hier her.
Noch immer geht es leicht bergauf, bis zur Kempter-Wald-Kapelle, vor der ich auf einer Bank raste.
Nach einigen Stunden in meist forstwirtschaftlich geprägtem Wald folgen einige Abschnitte durch recht ursprünglich wirkenden Moorwald. An einem wunderschönen kleinen Weiher setze ich mich lange Zeit ans Ufer.
Etwa eine halbe Stunde vor Ende der Etappe führt der Weg aus dem Wald heraus und wieder über sonnige Almwiesen mit Alpenblick.
Zuletzt geht es auf einem schönen Pfad durch das Weihermoos. Dann erreiche ich den kleinen Ort Görisried.
Nach harmlosen Wald- und Wiesenwegen führt ein steiler Pfad an kleinen Wasserfällen entlang bergab.
Nach den starken nächtlichen Regenfällen rauscht die Wertach besonders wild dicht unter der schwankenden Hängebrücke hindurch. Dieser Übergang ist zwar ungefährlich, aber bei diesen Verhältnissen doch eine kleine Mutprobe. Man sollte seinen Blick besser die ganze Zeit auf das andere Ufer richten. Wenn man zwischen den Planken hindurch auf die starke Strömung schaut, fühlt man sich, als würde einem der Boden unter den Füßen weggerissen. Ich liebe solche kleinen Abenteuer!
Ein paar Kilometer später führt ein idyllischer Pfad direkt am Ufer der Wertach entlang.
Dann komme ich zur Wallfahrtskapelle Kindle. Hier stand einst ein Baumheiligtum, an dem viele Votivtafeln, Kreuze und Papierbilder hingen. Seit 1971 hängen nun Socken und andere Bekleidungsstücke von kranken Kindern an einem Stamm vor der neu erbauten Kapelle.
Am Mittag komme ich unter anderem an den Überresten eines römischen Gutshofes vorbei. Im Gebäude mit den Fundamenten des alten Römerbades zeigt auch eine kleine Ausstellung einiges über die Römer. Kurz darauf erreiche ich den Kuhstallweiher, wo ich an warmen Sommertagen baden könnte.
Zuletzt führt mich eine lange Lindenallee mit uralten Bäumen nach Marktoberdorf.
Zum Abschluss dieser Reise schaue ich mir noch die Stadtpfarrkirche St. Martin an.
Hier ist der Link zur Seite der Allgäu GmbH Gesellschaft für Standort und Tourismus mit den offiziellen Infos über diesen Weg: https://www.allgaeu.de/wiesengaenger-touren?referral=wandern
Wahrscheinlich kennt jeder von Euch Wanderfreunde, die bisher noch keine Ahnung davon haben, dass ich Fotos und Beschreibungen zu mehr als 12.000 km auf Fernwanderwegen sowie mehr als 2200 km auf kürzeren Tageswanderungen vorstelle. Teilt es ihnen auf Eurer eigenen Homepage oder Euren Social Media Account mit, damit sich auch Eure Freunde viele Anregungen zu einer schönen Tour holen können.
Im Buch „Der Deutschland-Wanderer“ erzähle ich viel mehr als im Internet über meine Erlebnisse und persönliche Eindrücke beim Abenteuer Fernwanderung auf den ersten 10.000 Kilometern und beschränke dafür die online stehenden umfangreichen Streckenbeschreibungen auf die wesentlichen Elemente. Weitere Infos stehen hier: https://d-wanderer.de/aktuelles.php