Der hervorragend markierte Rothaarsteig führt durch das Sauerland und das Siegerland. Die offiziell in 8 Etappen aufgeteilte Hauptroute ist 155 km lang und hat etwas mehr als 3000 Höhenmeter, dazu kommen noch Zuwege in die Übernachtungsorte. Zusätzlich gibt es noch eine Westerwald-Variante.
Außer dem Rathaus, wenigen Fachwerkhäusern und einer momentan hinter einem Baugerüst versteckten Kirche sehe ich in Brilon nichts, das ich fotografieren will.
Daher wandere ich kurz nach meiner Ankunft schon einige Kilometer weit durch sonnigen Winterwald bis Petersborn.
Dann stapfe ich durch tiefen Schnee hinauf zu einem Ringwall aus dem 8. oder 9. Jahrhundert und zu den Ruinen einer etwas später errichteten Kirche.
Da es am Rothaarsteig viel mehr kleine Hütten oder überdachte Sitzplätzen gibt als auf fast allen anderen Wanderrouten, erreiche ich alle paar Kilometer eine Stelle, an der ich schneefrei und meist windgeschützt rasten kann.
Manchmal erleichtern die Fahrspuren von Forstfahrzeugen das Vorankommen, oft mühe ich mich aber auch durch die Fußspuren einzelner Wanderer. Auf einem Streckenabschnitt war vor mir nur ein einziger Mensch unterwegs, in dessen Spuren ich nun marschiere.
Am Berggrat, der zum Ginsterkopf führt, bremsen mich einige steile, bei Schnee brutal anstrengende Aufstiege. Aber Spaß macht es!
In der Ferne sehe ich bereits einige große Felsen aus vulkanischem Gestein, unter denen ich später vorbei wandern werde, ohne sie aber aus der Nähe zu sehen.
Für die ersten 10 Kilometer brauche ich heute wegen den Schneeverhältnissen 3,5 Stunden. Doch danach wird es meist einfacher.
Wie schon oft in meinem Leben bin ich sehr froh darüber, an einem so herrlichen Wintertag wandern zu dürfen.
Vom Rothaarsteig führen an sehr vielen Stellen hervorragend markierte Zubringerwege zu den Orten mit Übernachtungsmöglichkeiten. An der Richtstatt verlasse ich für heute den Weg und marschiere 2,5 km weit hinab hinab nach Willingen.
Willingen ist ein beliebter Wintersportort mit einigen Skiliften, vielen Pisten, Langlaufloipen und einer Sprungschanze.
Am Morgen wandere ich hinauf zum Naturschutzgebiet Hochheide. Bei klarem Wetter hat man von hier oben eine herrliche Aussicht. Doch die Nebelstimmung gefällt mir auch sehr gut.
Viele Kilometer weit folge ich den Spuren eines einzigen Wanderers. Wenn der nicht heute schon vor mir durch den tiefen Schnee gestapft wäre, käme ich noch langsamer voran.
Der Wechsel zwischen gut gespurten Wegen und anspruchsvollen Passagen ist genau das, was ich bei Winterwanderungen will. Ich liebe die heutige Etappe.
Je näher ich der Ruhrquelle komme, desto mehr Spaziergängern begegne ich auf den hier gut präparierten Wanderwegen. Der große Parkplatz nahe der Quelle ist ein deutliches Zeichen dafür, was hier im Sommer wohl los ist.
Am späten Nachmittag erreiche ich Winterberg, das Wintersportzentrum des Sauerlands. Hier komme ich mir heute vor wie in einem Skiort der Alpen. Auf einer langen Straße drängen sich Touristen entlang der Modeläden, Restaurants , Imbissbuden und Lokale mit den obligatorischen Après-Ski-DJ-Partys.
Als ich am Morgen an den großen Parkplätzen, den vielen Skiliften, Pisten und Langlaufloipen vorbeikomme, erkenne ich erst so recht, wie sehr der Wintersport den Ort prägt. Einmal muss ich sogar ganz am Rand einer Skipiste hinabwandern.
Gleich nach dem Zentrum des Ski-Trubels führt der Weg auf einer Brücke über einen Bach und danach über eine sehr steile Treppe bergauf. Der Schnee wurde hier von vielen Fußgängern so festgetreten, dass nun statt normaler Stufen eine gefrorene schiefe Ebene unter meinen Füßen den Aufstieg so sehr erschwert, dass ich mich 150 m weit nur am Treppengeländer hinaufhangeln kann.
Die restliche Route ist heute recht einfach - abgesehen von verdammt tückischen fünf Metern!
Bis kurz vor dem Kahlen Asten komme ich häufig an Langlaufloipen und Skipisten vorbei und muss natürlich darauf achten, dass ich als Wanderer nicht die gespurten Strecken beschädige oder die Langläufer behindere.
Im Naturschutzgebiet auf dem 841 m hohen Kahlen Asten kann ich wieder die Stille und den ganz besonderen Zauber des Hochnebels genießen.
Bei Sonnenschein kann man vom Kahlen Asten bis zum Brocken schauen, den ich in wenigen Tagen über den Harzer Hexenstieg erreichen werde. Die faszinierende Nebelstimmung gefällt mir heute hier oben viel besser als ein normaler Panoramablick.
Erst einige Kilometer nach dem Kahlen Asten sehe ich wieder etwas von den Bergen der Umgebung.
Am Mittag erreiche ich die Stelle, wo sich der Rothaarsteig für einige Kilometer in eine knapp 10 km lange Kamm- und eine etwas längere Talvariante teilt. Da ich in Latrop übernachten will, steige ich auf der Talvariante ab.
Nun folgt der gefährlichste Moment meiner gesamten 10.000 Kilometer Wanderung. Im kleinen Ort Schanze führt der Rothaarsteig abseits der Straße zwischen Häusern bergab. Zwischendrin wird der Weg von einem sehr hohen Wall aus Schnee blockiert, den jemand von der großen Terrasse oberhalb hier hinabgeschippt hat. Schon auf den ersten Blick erkenne ich, dass die Überquerung dieses hohen und lockeren Schneehaufens sehr problematisch wird. Wie befürchtet stecke ich nach wenigen Schritten mit dem rechten Bein fast bis zur Hüfte fest, bei der nächsten Bewegung auch mit dem linken. Was nun? Herausziehen kann ich keines der beiden Beine, denn sie stecken so gründlich fest, dass ich noch nicht einmal die Füße einen Zentimeter bewegen kann. Mir bleibt nichts anderes übrig als den Rucksack abzuwerfen und langsam und vorsichtig mit den Stöcken und den Händen vor mir allen Schnee fortzugraben, bis ich erst das eine, dann das andere Bein befreien kann. Ein Meisterwerk der Akrobatik! Schlangenmenschen hätten es hier leichter! Die restlichen drei Meter rutsche ich dann auf dem Rücken mit dem Kopf voran vom Schneehaufen hinab.
Wenige Meter danach erreiche ich den unteren Teil der Straße, von der ich oben gerade abgezweigt war. Das hätte ich einfacher haben können!
Anschließend führt mich ein hervorragend präparierter Weg einige Kilometer weit sehr bequem zum mit Fachwerkhäusern geschmückten Dorf Latrop.
Am Morgen kann ich bei herrlichem Wetter oft den Blick in die Ferne genießen. Abgesehen von wenigen kurzen Abschnitten durch Tiefschnee ist der Weg heute meist bequem.
Am Nachmittag komme ich nur noch an wenigen Aussichtspunkten vorbei. Der Rhein-Weser-Turm ist heute leider geschlossen.
Zufrieden erreiche ich mein Etappenziel bei der Ginsberger Heide.
Schon nach wenigen Minuten erreiche ich die Ruine Ginsburg, die 300 m abseits des Rothaarsteig steht.
Beim Aufstieg zum Giller muss ich meine Spikes anziehen, denn der von vielen Spaziergängern festgetrampelte Schnee ist über Nacht gefroren und recht glatt. Die Besteigung des Aussichtsturms wäre heute sogar völlig unmöglich, da eine gewölbte Eisschicht alle Stufen bedeckt.
Bald folgt im Tal der Eder ein besonders schöner Wegabschnitt, wo der Bach in weiten Schlingen über die verschneiten Wiesen mäandert.
Die Ederquelle selbst ist recht unscheinbar, ebenso bald darauf die Siegquelle. Die Lahnquelle ist etwa 200 m abseits des Rothaarsteig neben einer Straße und gefällt mir wegen ihrem schönen Quellteich deutlich besser.
Dann steige ich auf einem Zubringerweg zu meinem Etappenziel Hainchen hinab. Zu meiner Überraschung gibt es dort weder ein geöffnetes Restaurant noch einen Laden, in dem ich Proviant kaufen kann. Doch Frau Götze, die Vermieterin des sehr günstigen Zimmers am unteren Ende des Ortes, ist das, was man auf den großen amerikanischen Fernwanderwegen Trail-Angel nennt. Sie fährt mich mit dem Auto zum Supermarkt im nächsten Ort, wo ich einkaufen kann. Außerdem bietet sie mir an, dass ich mir vom Frühstück auch Proviant für den Tag einpacken kann.
Am Morgen bringt mich meine hilfsbereite Vermieterin mit dem Auto die 2,5 km hinauf zum Rothaarsteig. Dank ihr kann ich dort schon um 8 Uhr die Wanderung fortsetzen.
Der Hochnebel hat sich aufgelöst. Heute kann ich wieder in alle Richtungen die Aussicht genießen.
Je weiter ich komme, desto stärker ist der Schnee schon geschmolzen. Nachdem der Weg in den letzten Tagen meist durch Wald führte, marschiere ich nun oft über sonnige Wiesen.
Manderbach liegt bereits unterhalb der aktuellen Schneegrenze. Bald darauf erreiche ich die Stelle, an der die Westerwald-Variante abzweigt. Ich folge der Hauptroute.
Am Stadtrand von Dillenburg scheint vor mir der Wilhelmsturm schon zum Greifen nah, doch der Rothaarsteig führt mich noch einmal auf der anderen Seite des Tales steil bergauf. Von einem Aussichtspavillon und etwas später weiter unten vom schönen Bismarcktempel blicke ich über die Stadt.
Dann erreiche ich die Altstadt, in der ich mir lange Zeit die vielen schönen Fachwerkhäuser anschaue.
Sicherlich kennt jeder von Euch Wanderfreunde, die bisher noch keine Ahnung davon haben, dass ich hier Fotos und Beschreibungen zu mehr als 12.000 km auf Fernwanderwegen sowie mehr als 2200 km auf kürzeren Tageswanderungen vorstelle. Stellt diesen Hinweis auf Eure eigene Homepage oder Euren Social Media Account, damit sich auch Eure Freunde viele Anregungen zu einer schönen Tour holen können.
Im Buch „Der Deutschland-Wanderer“ erzähle ich viel mehr über meine Erlebnisse und persönliche Eindrücke beim Abenteuer Fernwanderung auf den ersten 10.000 Kilometern von 1.7.2018 bis 30.6.2020 und beschränke dafür die auf dieser Internetseite stehenden umfangreichen Streckenbeschreibungen auf die wesentlichen Elemente. Weitere Infos stehen hier: https://d-wanderer.de/aktuelles.php