Der lückenlos markierte, mit dem Gütesiegel „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ zertifizierte Nibelungensteig führt in offiziell 7 Etappen mit 130 km und etwa 4000 Höhenmetern vom Rande der Rheinebene durch den Naturpark Odenwald bis zum Main. Seit einigen Jahren gibt es zusätzlich noch eine etwas längere Variante über Eberstadt. Ich wandere die alte Normalroute.
Vom Bahnhof Zwingenberg spaziere ich durch die malerische Scheuergasse zur Altstadt. Oberhalb der Bergkirche ist der offizielle Startpunkt des Nibelungensteig.
Schon bald nach Verlassen des Ortes marschiere ich über einen Weinberg mit Blick auf die Rheinebene, auf Berge und auf Burgen.
Dann wandere ich auf den Melibokus, den höchsten Gipfel oberhalb der Bergstraße. Die Sonnen scheint nun durch den lichten Buchenwald, der sich allmählich herbstlich färbt. Ein wunderbarer Morgen! Vom Aussichtspunkt blickt man weit über die Rheinebene.
Am Morgen ist hier noch kein Mensch unterwegs. Einmal raschelt es direkt neben mir im Gebüsch und ich sehe gerade noch, wie ein großes Wildschwein den Hang hinab rennt.
Dann erreiche ich eines der beliebtesten Ausflugsziele im Odenwald. Das Felsenmeer im Lautertal sieht eigentlich eher wie ein langer Felsenfluss statt wie ein Meer aus. Ein paar hundert Meter weit liegen unglaublich viele von der Erosion abgerundete Felsen. Oben komme ich zuerst an einzelnen Felsgruppen vorbei, dann nimmt die Menge der runden Steine immer mehr zu. Schon die Römer nutzten diese Felsblöcke. An einigen Stellen sieht man Säulen und andere unvollendete Werkstücke, die nach begonnener Arbeit nicht fertiggestellt und liegen gelassen wurden.
Eine Stunde lang fotografiere und filme ich in diesem kleinen Naturparadies. Mikrofonaufnahmen beim Filmen sind hier aber nicht einfach, da im Gegensatz zur restlichen Strecke hier sehr viele Touristen sind, die teilweise auch viel Lärm verursachen. Überall weisen Schilder darauf hin, dass im Naturschutzgebiet das Verlassen der Wege verboten ist. Doch 80 Prozent der Spaziergänger wandern nicht auf dem gut markierten Weg sondern klettern zwischen den Steinen aufwärts.
Die Rekonstruktion einer römischen Pendelsäge zeigt unten vor dem Informationszentrum, wie man damals solche Felsen zersägen konnte.
Es folgt die wenig spektakuläre Durchquerung von Reichenbach, dann geht es wieder hinaus in die Natur.
Der Kletterfelsen Hohenstein sieht aus wie eine gewaltige Mauer. Auf der breiten Seite kann man äußerst deutlich die starke schräge Schichtung des Sandstein erkennen, von der Längsseite her wirkt er wie ein bizarrer Turm.
Der Friedhof im kleinen Dorf Schlierbach wird von vielen Stickel genannten Grabschildern geziert.
Am späten Nachmittag spaziere ich in Lindenfels durch ein altes Stadttor, vorbei am Deutschen Drachenmuseum und hinauf zur Burgruine, von der aus man eine weite Aussicht über den Odenwald hat.
Obwohl Lindenfels auch als Drachenstadt bezeichnet wird und an vielen Stellen recht unterschiedlich gestaltete Drachenfiguren stehen, reizt mich kein einziger dieser Drachen zum fotografieren.
Da mich auch die kulinarischen Besonderheiten einer Region interessieren, esse ich hier die Odenwälder Spezialität Kochkäse. Doch mir hat dieser weiche Käse, den man mit einem Löffel isst, zu wenig Geschmack. Da helfen auch der dazu servierte Kümmel und die Zwiebeln nichts. Auch der regionale Apfelwein und ein Bier aus dem Odenwald gefallen mir hier weit weniger als die Landschaft.
Am frühen Morgen verwandelt der Dunst die Landschaft in eine weichgezeichnete Märchenwelt. Ständig bleibe ich zum Fotografieren stehen. Es lohnte sich mal wieder sehr, so früh aufzubrechen. Wer jetzt noch im Hotel beim Frühstück sitzt ist selbst schuld, wenn er die schönste Zeit des Tages verpasst.
Der dünne Bodennebel löst sich sehr bald auf, doch ein sanfter Dunsthauch bleibt heute den ganzen Tag bestehen.
Wieder geht es technisch nicht besonders anspruchsvoll abwechselnd bergauf und bergab. Nur wenige Abschnitte sind steil.
Im Odenwald gibt es mehrere Quellen, von denen behauptet wird, dies sei der Ort, an dem Siegfried ermordet wurde. Ich komme am Siegfriedsbrunnen vorbei, an dem heute aber kein Wasser fließt. Entlang des Wanderwegs informieren viele Tafeln über die Nibelungensage.
Im Herbst 2018 liegt überall so extrem viel Fallobst auf dem Weg, dass ich mittags keinen Proviant kaufen muss. Ich bücke mich immer wieder und lerne innerhalb dieser vier Tage die geschmacklichen Unterschiede zwischen mehr als einem Dutzend Apfel- und Birnensorten kennen.
Vor einem schönen Hofcafé schnattern lautstark einige Gänse. Gerne würde ich mich hier eine Weile hinsetzen, aber ich marschiere weiter, da ich nicht weiss, ob ich ansonsten mein Etappenziel noch bei Tageslicht erreiche.
Am Marbach Stausee gibt es neben viel Natur zwar auch einen kleinen Badebereich, doch zum Schwimmen ist es heute zu kühl.
Ich komme an einer weiteren Stelle vorbei, die als Felsenmeer bezeichnet wird, aber im Gegensatz zu gestern ist das eher ein Teich statt ein Meer. Ein paar große Sandsteinfelsen, eine Steintreppe dazwischen - in manchen Regionen würde man so etwas noch nicht einmal auf der Karte markieren.
Zu meiner Unterkunft in Erbach-Bullau muss ich vom Wanderweg aus etwa zwei Kilometer auf einer Asphaltstraße hinab gehen. Im Café am unteren Ende des Ortes werde ich sehr herzlich aufgenommen. Extra für mich wird sogar ein Abendessen gekocht.
Ich wandere schon vor Sonnenaufgang weiter.
Wieder geht es heute oft durch Nadelwald oder Mischwald.
Auf den letzten Kilometern muss ich mich beeilen, damit ich die Abteikirche in Amorbach erreiche, bevor sie um 16 Uhr geschlossen wird. Fast in letzter Minute kann ich mir dieses Meisterwerk noch anschauen. Die Kirche wurde im barocken Stil gestaltet, weist aber auch sehr viele Rokoko-Elemente auf. Die wunderbare Orgel ist eine der größten Barock-Orgeln Europas.
Anschließend setze ich mich lange in einem Park auf eine Bank am Ufer eines Sees und schaue den Enten, Schwänen und einem Eisvogel zu.
Da ich nun bereits in Franken bin, bestelle ich zum Abendessen einen leckeren Fränkischen Sauerbraten.
Wieder breche ich vor Sonnenaufgang auf. Bald nach Verlassen des Ortes führt der Weg an einem steilen Hang entlang, an dem vor langer Zeit viele Terrassen angelegt wurden, wohl für Wein- oder Obstbäume. Inzwischen ist das Ergebnis der mühevollen Arbeit, die sicherlich für viele Generationen gedacht war, verwildert und mit Wald zugewachsen, ein Zeichen für die Vergänglichkeit menschlichen Schaffens.
Dann führen einige Serpentinen hinauf zur Gotthardsruine. Die Basilika wurde im 17. Jahrhundert auf den Resten von Vorgängergebäuden errichtet, brannte aber schon 1714 nach einem Blitzschlag ab.
Einige Kilometer später blicke ich von der Terrasse der Mildenburg erstmals hinab nach Miltenberg und auf den Main.
Über eine Treppe geht es hinab in den Ort. Am von vielen herrlichen Fachwerkhäusern umrahmten, Schnatterloch genannten Platz erreiche ich die Altstadt von Miltenberg. Der markierte Nibelungensteig führt nun am Mainufer entlang, doch es lohnt sich viel mehr, statt dessen durch die schöne Hauptstraße zu spazieren und dann erst zum Main zu gehen.
Dann erreiche ich Bürgstadt. Zum Glück weiß ich, dass sich hier in der kleinen, äußerlich sehr unscheinbaren Martinskapelle ein faszinierender Kulturschatz verbirgt und dass ich den Schlüssel zur Kapelle nebenan in der Gärtnerei bekomme. Diese faszinierende Kapelle wirkt mit ihren vielen farbenprächtigen Wandgemälden aus dem 16. Jahrhundert wie ein Bilderbuch.
Nun folgen noch einmal etwa 400 Höhenmeter Auf- und Abstieg. Vor einer kleinen Kapelle blicke ich hinab nach Bürgstadt und zum Main.
Kurz darauf komme ich schon wieder an eine keltischen Ringwall vorbei. Dieser ist aber interessanter. Der hohe Wall war einst mehr als drei Kilometer lang. An einer Stelle kann ich die Rekonstruktion eine Tores fotografieren. Beeindruckend!
Von der Burg Freudenberg einmal blicke ich zum Main hinab. Dann führt mich eine Treppe hinunter zum Rathaus von Freudenberg. Nun nur noch über die Brücke, schon erreiche ich den Bahnhof. Schade, schon vorbei! Diese Weg kann ich uneingeschränkt empfehlen.
Hier ist der Link zur Seite der Tourist-Information NibelungenLand mit offiziellen Infos über den Nibelungensteig: https://www.nibelungenland.net/Qualitaetsweg-Nibelungensteig
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Im Buch „Der Deutschland-Wanderer“ erzähle ich viel mehr als im Internet über meine Erlebnisse und persönliche Eindrücke beim Abenteuer Fernwanderung auf den ersten 10.000 Kilometern und beschränke dafür die online stehenden umfangreichen Streckenbeschreibungen auf die wesentlichen Elemente. Weitere Infos stehen hier: https://d-wanderer.de/aktuelles.php