Der offiziell in neun Etappen aufgeteilte Neckarsteig führt 128 km mit 4450 Höhenmetern von Heidelberg durch das Neckartal nach Bad Wimpfen.
An einem Morgen mit tief an den Bergen hängenden Wolken steige ich von der Heidelberger Altstadt etwa 400 Treppenstufen hinauf zum Schloss, das zu den beliebtesten Zielen internationaler Touristen auf ihrer Deutschlandreise zählt.
Die Besichtigung von Schloss und Schlosshof kostet Eintritt, aber die Terrasse mit Blick hinab auf die Altstadt kann man kostenlos betreten.
Oberhalb des Schlosses beginnt die legendäre Himmelsleiter, eine steile, ab dem Jahr 1844 erbaute Felsentreppe, auf der ich mit etwa 1200 Stufen 270 Höhenmeter bewältige.
Um diese Uhrzeit und bei dem kalten und grauen Wetter ist jetzt außer mir niemand unterwegs.
Für mich gibt es keine Lieblings-Jahreszeit und fast kein wirklich schlechtes Wetter. Ich mag die Abwechslung. Heute Morgen steht mal wieder Nebel auf dem Programm. Einige Kilometer weit wandere ich durch den wie ein mystisches Zauberreich wirkenden Wald.
Der Neckarsteig führt um die Altstadt von Neckargemünd herum, doch ich spaziere auf der Hauptstraße hinauf und wärme mich in einer Bäckerei mit einer großen Tasse Kaffee auf.
Auch um die Altstadt von Dilsberg macht die offizielle Route einen Bogen. Doch wer einen Spaziergang durch diesen fotogenen Ort und hinauf zur Burgruine auslässt, der verpasst etwas.
Danach marschiere ich schnell hinab nach Neckarsteinach, wo ich bei einer großen Schleuse den Neckar überquere.
Welch ein herrlicher Morgen! Unter wolkenlosem Himmel liegt eine ganz sanfte Dunstschicht über dem Neckar. Die Schleuse wirkt im Gegenlicht wie die Pforte nach Avalon.
In der anderen Blickrichtung sehe ich die vier Burgen von Neckarsteinach schon im schönsten Sonnenschein. Ich kann mich kaum von diesem Anblick trennen.
Doch dann marschiere ich hinauf zur Ruine Hinterburg, wo man vom Bergfried aus einen wunderbaren Blick hinab zum Neckar genießen kann.
Dann führt der Weg wieder nach Neckarsteinach hinab. Wer keine Zeit hat, den kompletten Neckarsteig zu wandern, dem empfehle ich, hier nun kurz den Schienen bis zum Bahnhof zu folgen, die alle 30 bis 60 Minuten fahrende S-Bahn nach Hirschhorn zu nehmen, dort das Schloss anzuschauen und weiter mit der S-Bahn nach Eberbach zu fahren. Zwischen den drei Orten gibt es meist nur breite Waldwege mit wenig Aussicht. Der Rest des Neckarsteig ist sehr viel schöner.
In Neckarsteinach steige ich zuerst über Treppen bergauf, dann geht es in Serpentinen durch den Wald. Vor mir hüpft ein Blatt über den mit Herbstlaub bedeckten Boden. Ein hüpfendes Blatt? Nein, es ist ein Frosch, der wohl nicht gemerkt hat, dass er Mitte November längst gut vergraben schlafen sollte. Als ich ihn fotografiere, ist es ihm wohl zu kalt, um vor dem Paparazzi zu fliehen.
Das Schloss zählt zu den schönsten Urlaubszielen am Neckar. Die Klosterkirche ist heute verschlossen, der Turm im Schloss ebenso, aber mir gefällt es, eine halbe Stunden lang auf einer Mauer zu sitzen und zur Altstadt und zum Fluss hinab zu schauen.
Nun geht es zuerst etwas steiler bergauf. Dieser Weg ist zwar anstrengend, aber recht schön. Danach folgen wieder bequeme, aber sehr monotone breite Waldwege. Nur ab und zu erblicke ich zwischen den Bäumen hindurch etwas von der Umgebung.
Der letzte Streckenabschnitt bietet mir heute dann endlich wieder mehr Aussicht. Schließlich erreiche ich Eberbach, mein heutiges Ziel.
Am Morgen spaziere ich zuerst kurz durch die Altstadt.
Ein sehr faszinierender geologischer Lehrpfad zeigt mir anschaulich mit vielen Informationstafeln, wie sich die Landschaft hier im Laufe von vielen 100.000 Jahren verändert hat. Unter anderem war der Boden, auf dem ich jetzt über einen sonnigen Hügel wandere, einst das Flussbett des Neckars. Seither hat sich der Fluss einen ganz anderen Weg gesucht und weit in den Untergrund gegraben, während gleichzeitig der Boden am alten Flusslauf in die Höhe gehoben wurde.
Dies ist einer der schönsten Streckenabschnitte des gesamten Neckarsteig. Über Streuobstwiesen und vorbei an Trockenmauern spaziere ich in warmem Sonnenschein. Nur an wenigen schattigen Stellen ist der Boden noch mit Reif bedeckt.
In einer Senke sehe ich etwas später den ehemaligen Verlauf des Flusses aus einer ganz anderen Epoche.
Zum letzten Mal in diesem Jahr lese ich von dem vielen am Boden liegenden Obst einen Apfel und eine Birne auf.
Schließlich erreiche ich den Aussichtspunkt Teufelskanzel. Kurz darauf wird die Strecke heute wegen einer Treibjagd umgeleitet. Auch ohne die Hinweisschilder und den Streckenposten würde ich wegen dem Lärm der bellenden Hunde und den Schüssen merken, dass dort oben heute vermutlich viele Eberbacher Eber in die ewigen Jagdgründe gehen.
Dann erreiche ich Burg Stolzeneck. Der Aufstieg zum Bergfried lohnt sich hier nicht, denn von oben sieht man nur Wald, den Neckar kann man kaum erkennen.
Über einige schöne Waldwege geht es weiter. Bei einer Hütte mit Blick hinab zum Neckar mache ich eine länger Mittagspause.
In weitem Bogen geht es nun bergauf und an Neunkirchen vorbei. Der Prinzenstein steht an der Stelle, an der 1886 ein Prinz mitten im Wald gefrühstück hat. Wäre er hundert Jahre später gekommen, hätte er sich vielleicht auch gleich auf dem nun wenige Meter daneben befindlichen Fußballplatz ein Spiel anschauen können.
Nun kommt einer der seltenen Momente, an denen ich meine Neigung bedauere, beim Wandern manchmal den Weg von grobem Müll zu säubern. Ich hebe eine sehr große Plastikflasche auf, in der vermutlich vor langer Zeit Forstarbeiter Öl transportierten. Drei Kilometer weit trage ich diesen schmutzigen Müll. Als ich aber selbst bei der Ruine Minneburg keinen Mülleimer finde, lasse ich die Flasche dort im Burghof liegen.
In der sehenswerten Minneburg lohnt es sich, über mehrere Stockwerke hinauf zu steigen.
Bald führt mich der Neckarsteig in einer weiten Schleife erneut durch ein Tal, das einstmals das Flussbett war. Warmes Abendlicht flutet nun die Landschaft mit goldener Wärme. Kurz nach Sonnenuntergang erreiche ich Neckargerach.
Zuerst folge ich heute der asphaltfreien Trasse einer alten Straße talaufwärts, immer mit schönem Blick zum Neckar.
Bei Nässe werden für den steilen Pfad durch die Margartenschlucht gute Schuhe und etwas Trittsicherheit gefordert. Nach starken Regenfällen ist der Steig manchmal unpassierbar, da er mehrfach über das Bachbett führt. An zwei, drei Stellen braucht man für den Aufstieg auch die Hände, doch hier wird der Pfad sehr gut mit Drahtseilen gesichert.
Heute erkennt man hier die Folgen der seit Monaten extremen Trockenheit. Wo normalerweise hübsche Wasserfälle die Felsen hinabströmen, plätschert nur ein kaum sichtbares Rinnsal hinab.
Fast übergangslos führt der Steig oben in eine sonnige, sanft gewellte Hügellandschaft.
Und wieder erklärt ein geologischer Lehrpfad sehr anschaulich vieles, was es hier zu sehen gibt, unter anderem die auffälligen Streifen auf dem Sandstein, die Herkunft der Versteinerungen im Kalkstein und die spezielle Vegetation auf den Trockenwiesen
Ein idyllischer Weg bietet wieder viel schöne Aussicht zum Neckar, nur gestört vom Anblick auf Industriegebiete und ein Atomkraftwerk. Werden unsere Nachfahren einst die Aussicht auf das AKW Obrigheim mit ebenso verklärtem, nostalgischem Blick betrachten wie wir die alten Burgruinen?
In Mosbach sollte man sich etwas länger aufhalten und auch noch ein paar Gassen rechts und links der mit vielen Fachwerkhäusern geschmückten Hauptstraße anschauen.
Burg Hornberg, die einstige Heimat des Götz von Berlichinge, gefällt mir ausgesprochen gut. Sie kostet zwar vier Euro Eintritt, doch eine Besichtigung lohnt sich. Als ich durch ein Fenster den Blick zum Neckar fotografieren will, übersehe ich einen niedrigen Holzbalken und schlage mir daran die Stirn blutig. "Leck mich am Arsch!", zitiere ich den Burgherren.
Nach einem bequemen Abstieg zum Neckar plage ich mich über Treppen wieder steil bergauf. Dann geht es fast flach zu einer Kapelle, die auf einer Hügelkuppe steht.
Nun steige ich auf einer Treppe an einem alten Weinberg entlang wieder ins Tal hinab. Lange bleibe ich auf einer der Steinmauern am Weinberg sitzen und genieße den im Abendlicht märchenhaften Blick zu Schloss Horneck bei Gundelsheim.
Unter trübem Hochnebel marschiere ich auf Burg Guttenberg zu.
In der Burg, die jetzt natürlich noch geschlossen ist, befindet sich auch die Deutsche Greifenwarte. Hier erfreuen im Sommer sehenswerte Vorführungen mit unterschiedlichen Greifvögeln viele Besucher. Von der Terrasse blickt man hinüber nach Gundelsheim und zur Burg Hornberg.
Seit ich vor einigen Jahren für eine Buchveröffentlichung die komplette Strecke des Pilgerwegs Via Francigena von Canterbury bis Rom zwar nicht als Pilger, aber als Fotoreporter gefahren bin, begeistern mich kleine, sehr alte Kirchen oft noch stärker als große Kathedralen. Daher gefällt mir auch die Bergkirche in Heinsheim, die in ihrer heutigen Form aus dem 14. Jahrhundert stammt. Die Deckenfresken im Chorraum entstanden wohl sogar schon um 1250. Ein großes Grabdenkmal stammt aus dem 16. Jh.
Zum Schluss führt der Neckarsteig ganz bequem am Neckar entlang.
Der Neckarsteig endet am Bahnhof unterhalb der Altstadt von Bad Wimpfen. Aber natürlich nehme ich mir dann noch viel Zeit, durch die Altstadt mit sehr vielen Fachwerkhäusern und schönen Gassen sowie interessanten Festungsbauwerken zu spazieren. Einst war hier die größte Stauferpfalz nördlich der Alpen. Leider wird momentan ausgerechnet das markanteste Gebäude der Stadt, der Blaue Turm, komplett von einem Baugerüst verhüllt.
Hier ist der Link zur Seite des Neckarsteig Büro mit den offiziellen Infos über diesen Weg: www.neckarsteig.de
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