Der Natursteig Sieg führt 197 km von Siegburg bis Mudersbach, dazu kommen noch einige Kilometer für die Zuwege zu den Übernachtungsorten oder Bahnhöfen. Ich wandere den offiziell in 14 Etappen eingeteilten Weg in 7 Tagen. Dank der sehr hervorragenden Bahnverbindung im Siegtal kann man auch bequem einzelne Etappen am Wochenende wandern oder mehrere Tage am selben Ort übernachten und dadurch einige Etappen gepäckfrei wandern. Die fast lückenlos markierte Strecke ist vor allem etwas für Wanderer, die durch einsame Natur spazieren wollen. Wer pittoreske Altstädte mit vielen prunkvollen Bauwerken sucht, ist hier am falschen Fluss.
Vom Bahnhof aus spaziere ich zuerst in die Fußgängerzone. Dann gehe ich zu dem markierten Zuweg, der mich zum Natursteig Sieg führt. Ich komme am Fuß des Michaelsberg vorbei. Auf diesem Vulkanberg steht die ehemalige Abtei Michaelsberg, auf deren Besichtigung ich verzichte.
Der Natursteig beginnt am Stadtrand und führt durch einen parkähnlichen Wald auf einen weiteren kleinen Vulkan hinauf und wieder hinab. Danach wechseln schmale, urige Pfade, breite Forstwege und asphaltierte Strecken häufig.
Der Weg gefällt mir von Anfang an sehr gut. Nur auf die gewohnte Stille im Wald muss ich auf den ersten Kilometern verzichten, da die Startschneise des Flughafen Köln-Bonn direkt über das untere Siegtal führt. Manchmal sieht es so aus, als würden die Maschinen gleich die Baumwipfel streifen.
Bald komme ich am ehemaligen Kloster Seligenthal vorbei, die erste Klostergründung der Franziskaner nördlich der Alpen.
Typisch für den Natursteig Sieg ist es, dass man meist auf recht bequemen Wegen wandert, doch zwischendurch ab und zu sehr steil über sandige Pfade hinauf und hinab steigt. Bei trockenem Wetter ist dies kein Problem, bei starkem Regen wird es hier aber vermutlich recht rutschig. Mir gefällt es.
Ab und zu bieten sich mir schöne Ausblicke zur Sieg und hinüber zum Siebengebirge.
Die Route des Natursteig führt meist nicht in die Städte und Dörfer im Tal hinein, dafür gibt es sehr viele ebenso gut markierte Zuwege. Über einen dieser Zuwege wandere ich nun nach Hennef.
Einem anderen Zuweg folge ich ab 7 Uhr bergauf. Heute soll es extrem heiß werden, daher bin ich schon früh aufgestanden. Unterhalb der Mauer von Schloss Allner sehe ich ein verfallenes Mühlrad.
Mal wandere ich unten im Tal, mal oben auf den Bergen, dann wieder unten - so kommen jeden Tag genügend Höhenmeter zusammen.
In Blankenberg schaue ich mir die schöne Burgruine an. Bereits früh am Morgen ist es heute unangenehm heiß.
Der Ort Blankenberg wird noch von seiner Stadtmauer umrahmt.
Der Blick auf die Klosterkirche St. Agnes ist recht schön. Ich kaufe Eis, Cola und alkoholfreies Bier und würde am liebsten jetzt hier bis zum Abend im Schatten sitzen.
Unten im Tal werden heute 39 Grad im Schatten gemessen. Sengende Sonne, kein Windhauch, Durst - ich fühle mich wie dieser Frosch, der vor mir auf dem Weg liegt.
Da der Wetterbericht den heißesten Junitag seit Beginn der Aufzeichnungen androht, starte ich auch heute wieder vor 7 Uhr.
Herchen, das nächste offizielle Etappenziel, erreiche ich schon vor 13 Uhr. Bereits jetzt schlägt die Hitze voll zu. Die folgende Etappe führt als Rundweg vom Bahnhof Herchen in einem weiten Bogen wieder dort hin zurück. Doch da man auf diesen 17 Kilometern nirgends etwas zu trinken kaufen kann, kommt dies bei 35 Grad heute für mich nicht in Frage.
Daher verschiebe ich die Schleife auf morgen und marschiere jetzt auf der offiziell übernächsten Etappe nordwärts. Zuerst führt ein wunderschöner Weg an der Sieg entlang.
Eine halbe Stunde lang setze ich mich auf eine Bank am Ufer und esse meinen Wanderproviant.
Anschließend laufe ich auf einem schmalen Pfad über sehr steile Serpentinen wieder hinab zur Sieg.
Und wieder geht es bergauf. Die zwei Liter Wasser aus meinen Flaschen habe ich längst getrunken. Ich bin froh, als ich oberhalb von Dattenfeld eine als Biker-Rastplatz beworbene Gaststätte mit großem Biergarten sehe. Hier trinke ich einen halben Liter alkoholfreies Bier und überlege, ob ich unten am Haltepunkt Dattenfeld in den Zug steigen soll. Doch trotz der Hitze entscheide ich mich für das Weitergehen. Unten führt der Weg mal wieder einige Zeit am Ufer entlang, zwischendurch mit Blick auf den Siegtaldom.
Nun folgten der größte Auf- und Abstieg des Tages. Danach führt ein bequemer Weg durch das Tal einer ehemaligen, heute vom Fluss abgeschnittenen Siegschleife.
Noch einmal überquere ich die Sieg, noch einmal geht es kurz sehr steil bergauf, dann erreiche ich bald Altwindeck, wo ein Zuweg fast kerzengerade nach Schladern führt.
Als die Bahnlinie durch das Siegtal gebaut wurde, grub man bei Schladern für die Sieg einen künstlichen Durchfluss, der eine Schleife abkürzte und damit Platz für die Bahntrasse schuf. Vor einigen Jahren wurde nun eine natürlich gestaltete Fischtreppe angelegt, damit Lachse und andere Fische wieder diese Barriere im Fluss bewältigen können. Bis Ende Mai ist dieses Gelände wegen der Fischwanderung aus Naturschutzgründen gesperrt, jetzt nutzen es am Wochenende viele Leute zum Baden. Ich übernachte drei Tage in Schladern und komme morgen wieder zur Fischtreppe, wo ich dann ganz alleine sitze und zuschaue, wie kleine Fische gegen die Stromschnellen ankämpfen und immer wieder versehentlich gegen Felsen oder an Land springen.
Oberhalb des Siegwasserfalls befindet sich in einem alten Industriegelände einer der faszinierendsten Biergärten, die ich je gesehen habe. Oben ist Elmores eine äußerst kreativ gestaltete moderne Lounge mit dezenter Clubmusik.
Die sehr verschieden gestalteten unteren Ebenen bieten dagegen viele ruhigere Plätzchen. Einen besseren Platz zum Feiern meiner ersten 365 Tage seit Start des D-Wanderer-Projekts könnte ich mir kaum wünschen. In diesen 12 Monaten wanderte ich mehr als 3000 Kilometer weit. Je weiter ich komme, desto mehr begeistert mich Deutschland als Wanderland. Zur Feier des Tages trinke ich nicht nur Bier sondern passend zur entspannten Lounge-Atmosphäre auch Caipirinha und Mojito.
Am Morgen fahre ich mit der Bahn nach Herchen, um die gestern übersprungene Schleife nachzuholen. Heute soll es zum Glück nicht mehr ganz so brutal heiß werden. Kurz nach Start kann ich meine Wanderstöcke gut nutzen, um Brombeerranken und Brennesseln auf einem etwas zugewachsenen Pfad zur Seite zu schieben.
Danach folgen einige recht unspektakuläre Kilometer meist auf breiten Forstwegen bergauf und bergab, nur ab und zu kurz durch schöne Pfade unterbrochen. Ich komme an den Resten einer frühmittelalterlichen Ringwallanlage vorbei, die man aber ohne Hinweisschilder nur für normale Erdhügel halten würde. Erst auf der zweiten Streckenhälfte gibt es wieder mehr Aussicht.
Zum Glück habe ich mich nicht darauf verlassen, dass ich unterwegs an einer angeblich Wunder wirkenden Quelle mit Heilwasser meine Flaschen auffüllen kann. Nach Hitze und Trockenheit der letzten Tage bedeckt nur ein minimales Rinnsal den Boden.
Nach dieser langweiligen Runde fahre ich wieder nach Schladern und erreiche über einen Zuweg bei dem kleinen, wunderschönen Museumsdorf Altwindeck wieder den Natursteig.
Dann wandere ich hinauf zur Ruine der Burg Windeck. Mich fasziniert immer wieder, wenn ich sehe, dass auch die mächtigsten Mauern eine Burg nicht vor Zerstörung und Verfall schützen konnten.
Der inzwischen gewohnte Wechsel zwischen Berg und Tal, breiten Wegen und schmalen, steilen Pfaden geht weiter. Unterwegs liegen an einem Aussichtspunkt sehr viele McDonald-Tüten, Schachteln und Dosen. Zumindest einen Teil dieses Mülls trage ich nun hinab zum Papierkorb am nahen Parkplatz. Wenn man all den Müll zusammenrechnet, den ich während der beiden D-Wanderer Jahre an den Wegen aufgehoben habe, könnte man damit einen sehr großen Container füllen.
In Au steige ich dann in den Zug und fahre zu meinem Hotel in Schladern zurück, wo ich einen weiteren Abend in Elmores Biergarten verbringe.
Nach den viel zu langen Strecken am Hitzewochenende fühle ich mich nun recht erschöpft. Daher beschließe ich, heute statt der geplanten zwei „offiziellen“ Etappen nur 1,5 zu wandern.
Ein Zuweg bringt mich schnell wieder zum Natursteig, wo es oberhalb der Sieg weiter geht.
Trotz heute recht angenehmer Temperatur komme ich deutlich langsamer voran als gewohnt.
Unterwegs lasse ich mir viel Zeit und setze mich länger als gewohnt an Aussichtspunkten hin. Erst am frühen Nachmittag erreiche Birken-Honigsessen. Entsprechend meinem Entschluss von heute Morgen will ich hier in den Bus steigen, aber der nächste fährt erst in zwei Stunden. Daher marschiere ich nun doch weiter.
Nach einigen Kilometern kann ich auf der Terrasse bei einem Gasthof in Mühlenthal ein großes Bier trinken und leckeren Stachelbeerkuchen essen. Das war jetzt dringend nötig!
Eine Weile spaziere ich dann recht bequem auf einer alten Bahntrasse durch das Tal.
Doch noch einmal folgt ein längerer Auf- und Abstieg. Recht müde erreiche ich gegen 18 Uhr den Bahnhof. Heute bin ich so platt, dass ich meinen geplanten dritten Besuch bei Elmores ausfallen lasse und mich früh ins Bett lege.
Irgendwann musste es so kommen. Es reicht! Ich kann nicht mehr ignorieren, dass ich heute eine Pause brauche. Hundemüde schleppe ich mich zum Frühstück und danach zum Bahnhof.
Heute will ich ausnahmsweise nur 15 km wandern. Es ist sehr angenehm, zwischendurch mal einen Tag ganz langsam und mit vielen Pausen zu spazieren.
Wieder einmal sorgt zwischen all den bequemen Wegen ein kurzes Steilstück für Abwechslung. Wenn der Boden an Regentagen rutschig ist, kann man das gespannte Seil sicher gut gebrauchen.
Oberhalb von Scheuerfeld setze ich mich eine Stunde lang auf eine Bank und genieße die Ruhe.
Zuerst marschiere ich wieder auf dem Zuweg zum Natursteig, dann geht es schnell weiter bergauf. Nach einigen Kilometern erreiche ich den Gipfel des Steinerother Kopf, auf dem es zwar kein Rundumpanorama aber immerhin ein paar Bänke mit schöner Aussicht gibt.
Schnell führt mich der Weg nun hinab zur Molzhainer Mühle, wo ich beinahe eine Abzweigung verpasst hätte. Am hübschen Mühlenteich und an einer idyllischen Wassertretstelle vorbei geht es bald wieder in den Wald.
Dann geht es steiler hinauf zum Druidenstein. Diese faszinierenden Basaltsäulen sind Reste erstarrter Lava. Einst war das Relikt des einstigen Vulkanismus viel größer, doch im Dreißigjährigen Krieg wurde der obere Teil abgetragen, da die damals weithin sichtbare Bergkuppe als Orientierungspunkt für feindliche Heere dienen konnte. Heute ist nur noch ein Drittel erhalten.
Am späten Nachmittag besteige ich den Ottoturm, der von unten bis oben mit Graffiti beschmiert wurde. Von oben sehe ich Mudersbach, das aktuelle Ziel des Natursteig Sieg, der irgendwann bis zur Siegquelle verlängert werden soll.
Nach dem Abstieg könnte ich direkt auf dem Zuweg nach Kirchen gehen, aber ich hänge auf dem Natursteig noch die Schleife über Katzenbach dran und steige dann erst bei einem Sportplatz in Kirchen zum Bahnhof ab.
Schon bald nach Aufbruch erreiche ich die Freusburger Mühle. Diese ist kein kleines Häuschen mit Mühlrad, sondern ein faszinierendes Industriedenkmal. 1888 wurde eine ältere Mühle zu einer Walzenmühle mit 10 Tonnen Tagesleistung ausgebaut, nach 1945 gab es einen weiteren Ausbau auf 60 Tonnen. Heute wird hier die Wasserkraft nicht mehr zum Mahlen sondern zur Stromerzeugung genutzt.
Nicht nur die großen Mühlengebäude sondern auch die damals nebenan errichteten Wohnhäuser sind recht fotogen.
Auch der Ort Freusburg bietet vor allem im oberen Bereich viele Fotomotive.
Ganz oben thront die Freusburg, in der sich heute eine Jugendherberge befindet.
Nun folgen zwischendurch ein paar Kilometer auf recht monotonen Forstwegen. Erst ab dem Eingang des Stollen Erzquell wird die Strecke wieder abwechslungsreicher. Der Stollen wurde einst für den Erzabbau gegraben. Seit sich der Bergbau nicht mehr lohnt, nutzt man ihn, um eine Brauerei und den Ort Mudersbach über eine 4 km lange Leitung mit gutem Trinkwasser zu versorgen.
Kurz darauf erreiche ich Mudersbach und fahre mit dem Zug nach Hause.
Hier ist der Link zur Seite der Naturregion Sieg GbR mit den offiziellen Infos für diesen Weg: www.natursteig-sieg.de
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Im Buch „Der Deutschland-Wanderer“ erzähle ich viel mehr als im Internet über meine Erlebnisse und persönliche Eindrücke beim Abenteuer Fernwanderung auf den ersten 10.000 Kilometern und beschränke dafür die online stehenden umfangreichen Streckenbeschreibungen auf die wesentlichen Elemente. Weitere Infos stehen hier: https://d-wanderer.de/aktuelles.php