Da ich den Nationalpark Wattenmeer in allen vier Jahreszeiten fotografieren will, haben Annette und ich für den Winter die ostfriesische Insel Juist ausgewählt. An der Nordsee sieht man je nach Monat unterschiedliche Vögel. Manche kommen nur zum Überwintern, anderen sind nur im Sommer zum Brüten hier und viele ziehen nur im Frühling und Herbst durch. Unsere Hoffnung, jetzt hier viele der geflügelten Wintergäste zu entdecken, wird voll erfüllt.
Nach tagelangem starkem Ostwind ist auch bei Flut der Wasserstand für die große Fähre zu niedrig, aber mit den kleinen Schnellbooten, auf die etwa 10 Personen passen, kommt man in etwa 45 Minuten vom Hafen in Norddeich Mole nach Juist.
Im Hafenbecken schwimmen Brandgänse. Schon können wir den ersten Punkt unserer Vogelsammlung "abhaken".
Juist wird von den meisten Urlaubern vor allem wegen seinem 17 Kilometer langen Strand geliebt. Bei Ebbe ist der Strand nicht nur sehr lang sondern auch recht breit.
Vor allem auf der Südseite der Insel kann man im Winter bei Flut sehr viele Wasservögel beobachten.
Im Winter spazieren manchmal sehr große Schwärme von Ringelgänsen direkt am Ortsrand über den Deich.
Bei unserem ersten Spaziergang auf dem Strand im Norden der Insel bläst ein kräftiger Sturm den Sand über den Strand und schichtet ihn zu kleinen Dünen auf. Es sieht fast so aus, als hätte man im Miniatur Wunderland eine kleine Ausgabe der Sahara aufgebaut.
Vor der Brandung eilen Sanderlinge am Wasser entlang. Die kleinen Hektiker bleiben keinen Moment still stehen.
Schnell nimmt der Sturm immer stärker zu. Nun scheint der gesamte Boden unter unseren Füßen in Bewegung zu sein. Eigentlich müsste ich hier einen Film statt ein Foto zeigen. Die Muster um uns herum ändern sich mit etwa 50 km/h zu einem psychedelischen Farbenrausch. Ein einzigartiges Erlebnis!
Am nächsten Morgen ist der Sturm noch genauso stark. Jetzt werden die bewegten Muster um uns herum aber nicht mehr von Sand sondern von Neuschnee gebildet.
Wir wandern ein paar Kilometer am Strand bis zum Durchgang zur Bill, dann kurz auf der Straße an der Südseite der Insel entlang und schließlich zu dem Weg, der am Südufer des Hammersee entlang führt. Die offene Fläche des Sees kann man hier nur an ein paar Stellen zwischen den Bäumen hindurch gerade noch erkennen, aber das von vielen Bäumen zu einer undurchdringlichen Zone gestaltete Ufer ist direkt neben dem Pfad.
Am Mittwoch schneit es so stark, wie es auf dieser Insel nur alle paar Jahre einmal vorkommt. Mehr als zehn Zentimeter Neuschnee fallen an einem einzigen Tag.
Da ich den Nationalpark in allen Jahreszeiten fotografieren will, ist das für mich natürlich perfektes Timing.
Als wir mal wieder am Strand entlang wandern, nimmt der Schneesturm immer mehr zu. Außer uns scheint kein Mensch unterwegs zu sein. Bald reicht die Sicht nur noch hundert bis zweihundert Meter weit. Wir könnten ebenso irgendwo in der Arktis sein.
In den von der Brandung geschützten Lagunen gefriert das Meerwasser. Die Eisschollen bilden faszinierende Muster.
Wieder verlassen wir recht weit im Westen den Strand und gehen über die Dünen zur Bill.
Auf dem Rückweg spazieren wir auf dem wunderschönen Pfad zum Wärterhaus. Bei Schnee sieht er viel interessanter aus als an einem normalen Wintertag.
Dann gehen wir am Nordufer entlang und erreichen bald den Ort Loog, wo unsere Unterkunft ist.
Auch am nächsten Tag liegt noch Schnee am Strand, aber der Wind ist schwächer geworden. Durch die dicke Wolkendecke dringt zwar zu wenig Licht für ideale Fotos, aber ich kann zumindest wieder Vögel fotografieren, ohne mir dabei fast die Finger abzufrieren. Vor allem die quirligen Sanderlinge gefallen mir sehr gut.
Den Austernfischern ist es eindeutig auch zu kalt. Oft stehen sie nur auf einem Bein und wärmen das andere im Gefieder.
Zu jedem Urlaub auf Juist, und natürlich vor allem im Winter, zählt auch ein Besuch vom Lütje Teehus. In wunderschöner Atmosphäre kann man sich bei Tee, Grog oder anderem aufwärmen. Dazu gibt es leckere Kuchen, Waffeln, aber auch herzhafte Gerichte wie z.B. Grünkohl mit Pinkel.
An einem Nachmittag besuchen wir die Sauna, die im Winter nicht immer geöffnet ist. Von der Saunakabine mit Aufguss blicken wir zum Nordstrand, vom Ruheraum auf den Ort und den Hafen. Das Schwimmbad öffnet erst im März.
Außerdem besuchen wir das Nationalparkhaus und das sehr sehenswerte Inselmuseum in Loog
Die Insel ist komplett autofrei. In unserer Urlaubswoche sehen wir außer der Kanalreinigung und einem Schneepflug kein Kraftfahrzeug. Gepäck, Waren, sogar Möbel werden entweder mit Fahrradanhängern oder mit Pferdekutschen transportiert. Einmal sehe ich einen Paketboden, dessen Anhänger so haushoch überladen ist, dass es an Bilder aus Asien oder Afrika erinnert.
Am Hafen fotografieren wir Ringelgänse, die momentan recht zahlreich hier überwintern.
Auf einem schneefreien Fleck in einem Vorgarten sehe ich eine Wacholderdrossel.
Wieder spazieren wir am Strand entlang, dieses Mal in Richtung Osten. Am ersten Tag hatten wir uns gewundert, was die schwarzen Klumpen sind, die man überall am Nordstrand findet. Jetzt wissen wir es. Die Erosion trägt ständig Torfboden an der Südküste ab und die Strömung transportiert diese Stücke um die Insel herum, wo sie dann am Nordstrand angeschwemmt werden.
Östlich der im Sommer stark mit Strandkörben und Badegästen gefüllten Badeplätze wird es im Winter recht einsam. Ab und zu kommen wir an großen Möwenschwärmen vorbei.
Allmählich schmilzt der Schnee. An den Stellen, an denen die Wellen beim Höchststand der Flut das Eis zusammengeschoben haben, bleiben nun eisige Miniatur-Klippen zurücik.
Im Osten der Insel sieht es fast so aus, als könnte man nach Norderney hinüber schwimmen.
Die östliche Spitze der Insel ist ein großes Naturschutzgebiet, das man im Winter nur auf einer bestimmten Route und zur Vogelbrutzeit überhaupt nicht betreten darf. Ein momentan recht nasser Weg führt am Rande des Naturschutzgebiets vorbei. Heute kommt hier niemand mit trockenen Füßen durch. Aber wir wussten schon vorher Bescheid und haben Handtücher und ein zweites Paar Socken mitgenommen.
Der Weg führt zu einer Vogelbeobachtungshütte mit Blick auf die Südküste. Wie auch an einigen anderen Beobachtungsplätzen steht hier ein Spektiv, mit dem man die Natur erkunden kann. Wir haben aber erstmals ein eigenes Spektiv und ein gutes Stativ dabei, mit dem wir die weit entfernten Vögel am Ufer deutlich besser erkennen können. Unter anderem stehen an einer Stelle mehr als hundert Austernfischer. Am meisten begeistert uns aber der Teil des Ufers, an dem sich sehr viele Große Brachvögel drängeln.
Zum Fotografieren sind sie für mein 300 mm Objektiv zu weit entfernt. Mit einer extremen Ausschnittsvergrößerung kann man immerhin die Tiere erkennen.
Rehe sehen wir auf dieser Insel fast jeden Tag. Sie zählen nicht zur einheimischen Tierwelt sondern wurden einst von Menschen ausgesetzt.
Die Dünenlandschaft im Osten und Westen der Insel ist nicht spektakulär, aber angenehm ruhig.
Unsere Hoffnung, viele hier überwinternde Vögel zu sehen, wird voll erfüllt. Auch Weisswangengänsen begegnen wir fast täglich.
Wieder einmal gehen wir bei Flut zum Hafen. Über uns fliegen immer wieder Austernfischer, mal in kleinen Formationen, mal in großen Schwärmen.
Nun tummeln sich im flachen Wasser am Ufer viele hundert Goldregenpfeifer.
An einer Stelle sehe ich ein paar Eiderenten. Diese hier sind Jungvögel, denen das prachtvolle Gefieder der älteren Männchen noch fehlt.
Nachdem wir im Sommer fast auf Schritt und Tritt Rotschenkeln begegneten, sehen wir hier nur sehr wenige weit entfernte Exemplare.
Nun wandern wir zum westlichsten Punkt der Insel. Bei Ebbe ist der Strand teilweise drei- bie viermal so breit wie bei Flut.
Im äußersten Westen folgt dann eine mehr als einen Kilometer lange und flache Sandbank, die unter Naturschutz steht und nur bei Ebbe ausschließlich direkt am nördlichen Ufer betreten werden darf. Hier sehen wir außer Sanderlingen und Möwen auch einige Kormorane.
Dann folgen wir dem Wanderweg zur Bill. Wir blicken hinüber zur komplett geschützten Vogelinsel Memmert.
Das südliche Ufer steht abgesehen vom Bereich am Hafen komplett unter Naturschutz und kann nicht betreten werden.
Am letzten Tag stehen wir schon früh aus und gehen bei Sonnenaufgang zur Straße am Südufer bei Loog.
Dann holen wir unser Gepäck, spazieren zum Hafen, genießen noch eine Weile bei Sonnenschein und Windstille den Blick auf die Vögel und fahren dann um 11:15 Uhr mit dem Schnellboot zurück.
Wer nur wenig Zeit hat, kann die Insel mit nur drei Wanderungen komplett erkunden. Vom Ort Juist aus ist die Strecke zum Hammersee, um den See herum und anschließend östlich des Ortes noch über den Otto-Leege-Pfad über die Dünen und vorbei am Ententeich etwa 14 km lang.
Am Nordstrand zum nur im Winter erreichbaren östlichsten Punkt Kalfamer und im Süden zurück sind es 15 km und vom Ort nach Westen zum Billriff und über die Bill und die Straße im Süden zurück ebenfalls 19 km. Da wir in dieser Woche viele Wege mehrmals gingen, kamen für unsere Fototour insgesamt etwa 110 km zusammen.
Für uns hat sich dieser Urlaub sehr gelohnt. Seit Januar notieren wir in unserer "Birding-Liste" alle Vogelarten, die wir sehen. Auf Juist sind es 30 Einträge, darunter natürlich nicht nur Wasservögel, sondern auch die üblichen Arten wie Kohlmeisen oder Tauben. Auf den Hausdächern sehen wir außergewöhnlich viele Elstern und durch die Vorgärten spazieren viele Fasane.
Im Frühling folgt mein Kapitel über Borkum und im Herbst werde ich auf Sylt und am Festland zwischen der Dänischen Grenze und St.Peter-Ording fotografieren.