An Neujahr wandere ich am Altrhein bei Wintersdorf und Plittersdorf. Nahe Wintersdorf ankert der letzte am Oberrhein erhaltene Aalschocker. Mit solchen motorlosen Schiffen wurden einst von September bis Dezember nachts auf dem Rhein Aale gefangen. Inzwischen dient der Aalschocker "Heini" nur noch als Museumsschiff.
Einer der Gründe, warum mich die Rheinauen schon immer faszinierten, ist der stete Wechsel des Wasserstands. Manchmal stehen die Bäume wochenlang im Wasser, manchmal trocknen weite Bereiche aus. Heute ist die Wasserhöhe nur etwas unter dem Durchschnitt.
Am Rheinufer bestaunte ich schon als kleines Kind die vom Fluss polierten Steine. Viele davon stammen aus den unterschiedlichsten Regionen der Alpen und haben bis hier schon eine sehr weite Reise hinter sich.
Selbst an trüben, kalten Wintertagen bietet mir die herrliche Spiegelung der Bäume auf dem Wasser genügend Motivation für eine Wanderung.
Heute sehen wir Kormorane, Grau- und Silberreiher, verschiedene Enten sowie Nilgänse. Nilgänse stammen ursprünglich aus Afrika und waren früher nicht in Europa heimisch. Doch seit einigen Jahrzehnten verbreiten sich die Nachkommen der vor allem für Zoos und Parkanlagen eingeführten Exemplare auch bei uns sehr stark.
Heute sind Annette und ich nur zwei Stunden am Rußheimer Altrhein unterwegs.
Da der Rhein früher oft seinen Lauf veränderte, mussten manchmal auch ganze Dörfer aufgegeben werden. Am Rußheimer Altrhein steht ein Denkmal, das an das ehemalige Dorf Knaudenheim erinnert. Dessen Bewohner wurden 1758 nach einer schweren Überschwemmung ans Hochufer umgesiedelt. Aus dem Baumaterial der abgerissenen Häuser entstand das neue Dorf Huttenheim.
Nur an wenigen Stellen in den Rheinauen trifft man auch im Winter auf viele Spaziergänger. Rund um den Rußheimer Altrhein ist man auch am Wochenende meist fast alleine unterwegs.
Ich hatte mich auf den vom Wetterbericht angekündigten Schneefall und eine tief verschneite Landschaft gefreut, doch hier ist es jetzt genau ein Grad zu warm, so dass vom starken Niederschlag kaum etwas liegen bleibt.
Zwei Mal laufen Rehe dicht vor mir über den Weg, und einmal sehe ich kurz ein Wildschwein, das durch ein Schilfgebiet rennt.
Bald schmelzen die wenigen Schneereste immer mehr. Aber die Stimmung im leichten Nebel gefällt mir auch recht gut.
Die meisten Wanderungen an den Rheinauen führen nicht ausschließlich durch Auwald, sondern oft jenseits der Dämme auch zu Streuobstwiesen mit herrlichen alten Bäumen. Mich wundert es jedes Jahr, wie wenig von dem Obst geerntet wird. Anfang Januar sind zwar 95 % der unglaublich vielen unter den Bäumen vergammelnden Äpfel faul oder angefressen, aber ich finde dennoch wie gewohnt noch ein paar gute.
Vor allem werktags kann man in den Rheinauen abseits weniger touristischer Brennpunkte oft noch kilometerweit wandern, ohne einen anderen Menschen zu treffen. Diese Stille eignet sich auch gut zum Beobachten der Tiere.
Heute wandere ich mal wieder in der Pfalz bei Sondernheim. Der Sondernheimer Altrhein gefällt mir ausgesprochen gut.
Am Ufer finde ich einen vermutlich vom letzten Hochwasser hier her gespülten Ast, der mit vielen Dutzend winziger, nur etwa 2 cm großer Muscheln besetzt ist.
Beim Wandern in den Rheinauen kommt man alle paar Minuten durch andere Vegetationszonen. Kaum eine andere Landschaft bietet auf engem Raum so große Vielfalt. Der ehemals häufig wechselnde Verlauf des Flusses schuf eine Mischung aus trockenen, halbtrockenen oder manchmal wochenlang überfluteten Flächen. Unterschiedliche Bodenbeschaffenheit und natürlich auch der Einfluss von Land- und Forstwirtschaft wirken sich ebenfalls auf die Zusammensetzung des Waldes aus. Heute spaziere ich unter anderem an dicht mit Schachtelhalm bewachsenen Stellen vorbei.
Im Winter wirkt vieles düster und alt. Doch auch Verfall gehört zum Kreislauf der Natur. Daher faszinieren mich die Zeichen der Vergänglichkeit im Wald sehr. Was scheinbar recht trostlos wirkt, birgt schon die Hoffnung auf den nächsten Frühling.
Unterwegs komme ich auch an einigen großen Fischteichen vorbei. Als ich diese zum ersten Mal sah, wunderte ich mich darüber, wieso man ausgerechnet neben dem fischreichen Altrhein solche Teiche anlegt. Doch sie entstanden ursprünglich nicht für die Fischzucht sondern waren Tongruben für die Ziegelei. Die einstige Ziegelei, die direkt am Rheinufer steht, kann man im Sommer besichtigen.
Am frühen Morgen zaubert eine schmale Eisschicht interessante Kristallformationen an die Ufer der stehenden Gewässer.
Doch bei dem herrlichen Sonnenschein bleibt heute der größte Teil der Wasserflächen eisfrei.
Zwischendurch wandern wir eine Weile auf dem Mühlbach-Wiede-Weg, der mir immer sehr gut gefällt.
Obwohl es heute erst der 10. Januar ist, blühen schon als Vorboten des noch fernen Frühlings einige Haselsträucher. Diese Frühblüher sind für die ersten Bienen, die aus ihrer Winterruhe aufwachen, eine wichtige Nahrungsquelle. Jedes der Blütenkätzchen enthält etwa zwei Millionen Pollenkörner.
Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Silberreiher gesehen wie in den letzten Wochen. Ob dies auch mit dem Klimawandel zusammenhängt?
Auf der Rench schwimmen Reiherenten sowie einige Höckerschwäne, bei denen das Gefieder allmählich vom jugendlichen Grau zum erwachsenen Weiß wechselt.
Nahe Lichtenau setzen wir uns bei einem wunderschönen, heute als Angelgewässer genutzten Baggersee, lange in die warme Sonne.
Im Schwarzwald liegt heute überall Schnee. Doch dort oben ist jetzt wieder so starker Massenandrang, dass die Zufahrtsstraßen zur Schwarzwaldhochstraße gesperrt werden mussten. Hier unten begegnen wir dagegen nur sehr wenigen Menschen.
Die nach der Rheinbegradigung zur Regulierung der Fließgeschwindigkeit in den Fluss gebauten Buhnen erfreuen durch ihre besondere graphische Wirkung jeden Fotografen. Heute ragen sie weit aus dem Wasser heraus, aber schon übermorgen wird das Wasser sie komplett überfluten.
Ich empfinde einen Spaziergang am Rheinufer immer als sehr beruhigend. Der breite Strom fließt gemächlich neben mir, ab und zu fährt ein Schiff vorbei, im Wasser schwimmen Enten und Schwäne. Vor mir landet ein Schwarm Kanadagänse.
Heute ist einer der Tage, die besonders gut zeigen, dass es sich lohnt, auch im Winter in die Rheinauen zu gehen. Um diese Zeit sieht man hier viele Dinge, die den Rest des Jahres über nicht gibt. Jetzt sorgt eine Eisschicht auf den stehenden Gewässern für eine zauberhafte Atmosphäre. An den Fährten im dünnen Schnee über dem Eis erkenne ich, dass hier während der letzten Stunden verschiedene Tiere unterwegs waren.
Ich liebe die Tage, an denen das Wasser gefroren ist, denn die vielfältigen Muster auf dem Eis laden zu einer Entdeckungsreise ein.
Nur ein Mal in meinem Leben stand ich bisher so nah vor einem Eisvogel wie heute. Da ich weiss, dass er flieht, wenn ich meine Kamera hebe, beschränke ich mich darauf, ihn zu beobachten. Im Sommer entdeckt man diese Vögel im dichten Laub nicht, aber jetzt scheint ihr intensives Blau aus der grauen Umgebung hervorzuleuchten.
Am Ortsrand von Leimersheim sehe ich am Fischmal See viele verschiedene Gänse.
Obwohl ich kein Bild fand, nach dem ich diese Gans eindeutig identifizieren kann, gehe ich davon aus, dass es sich hier um eine Variante der Afrikanischen Höckergans handelt.
Schon fünf Minuten nach Beginn der Wanderung in der Hördter Rheinaue, dem zweitgrößten Naturschutzgebiet der Pfalz, sehe ich einen Silberreiher und einen Graureiher. Heute will ich aber vor allem die dünne Eisschicht fotografieren, die manche Gewässer bedeckt.
Vorgestern ragten die Buhnen deutlich aus dem Rhein heraus, inzwischen stieg der Pegelstand aber schon so sehr, dass bald der Uferweg überschwemmt sein wird. Manche Waldflächen stehen jetzt unter Wasser.
Ich bewundere immer die guten Naturfotografen, die uns herrliche Aufnahmen der Tierwelt zeigen. Wenn ich Vögel fotografiere, kommt leider fast nie ein richtig scharfes Bild dabei heraus. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf und versuche es in den nächsten Monaten immer weiter. Heute sehe ich unter anderem ein Wintergoldhähnchen. Im Sommer kann man die kleinsten und leichtesten Vögel Europas zwischen den grünen Blättern kaum entdecken, aber im kahlen Winterwald fällt die kräftig bunte Farbe gut auf.
In den letzten Jahren entwickelten sich Misteln in manchen Regionen zur Bedrohung der Wälder. Bedingt durch die trockenen Sommer befallen sie nun mehr Bäume als je zuvor und saugen ihnen den letzten Rest Wasser ab. Für den Naturschutz wäre es gut, wenn jetzt mal ein gallischer Druide zur Ernte für seinen Zaubertrank kommen würde.
Hier folgt Kapitel 2: https://d-wanderer.de/rheinauen.php?w=159&Wanderung=Rheinauen-Projekt_-_Kapitel_2:_Schnee_und_Eis
Mein Buch über meine 2018 bis 2020 gewanderten 10.000 Kilometer auf Deutschlands schönsten Fernwanderwegen unterscheidet sich inhaltlich stark von den Texten auf dieser Homepage. Online stehen die sehr umfangreichen Streckenbeschreibungen im Vordergrund, im Buch beschränke ich diese dagegen auf die wesentlichen Elemente und erzähle statt dessen viel mehr über meine Erlebnisse und persönlichen Eindrücke beim Abenteuer Fernwanderung. Weitere Infos stehen hier: