29. bis 31. Januar 2021

Rheinauen Kapitel 3: Hochwasser

29.1.2021 Vor der Flut

Als ich beschlossen hatte, den steten Wandel der Rheinauen ein Jahr lang zu dokumentieren, hoffte ich natürlich auch auf kräftiges Hochwasser. Entsprechend freue ich mich schon seit Tagen über die starken Regenfälle und das Tauwetter, da der Wasserstand schnell steigt. Als ich heute gegen 12 Uhr nach Neuburgweier komme, steht er am Pegel Maxau, den ich in meinen Berichten zukünftig immer als Vergleich nutze, bei etwa 6,50 m. Innerhalb der nächsten 36 Stunden wird das Wasser noch zwei Meter höher steigen.

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© Günter Kromer— Zwischen Fermasee und Rheindamm

Wo im Sommer oft der Boden komplett trocken ist, strömt nun das Wasser bereits mit kräftiger Geschwindigkeit vorbei.

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© Günter Kromer

Schon jetzt erkennt man bei der geschlossenen Bellenkopf-Schließe, einem Durchlass, der die Wasserzufuhr zum Altrhein regelt, dass der Wasserspiegel auf der vom Damm geschützten Seite deutlich höher als auf der anderen ist. Wenn in einigen Jahren der geplante Polder Bellenkopf/Rappenwört fertig ist, wird bei starkem Hochwasser auch drüben am Fermasee der Wasserspiegel dem des Rheins entsprechen.

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© Günter Kromer

Die Straße zur Rheinfähre führt durch den Rheinhauptdamm. Schon in der Nacht wurde sie mit großen Platten gesperrt, die ab morgen gewaltige Wassermassen zurückhalten müssen.

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© Günter Kromer

Immer mehr Bereiche des Waldes stehen nun unter Wasser.

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© Günter Kromer

Überall gluckert, plätschert und rauscht es. Ab und zu höre ich auch ein Krachen und Knacken, wenn in der Strömung treibende Bäume oder große Äste irgendwo anstoßen.

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© Günter Kromer

Ich fahre noch ein Stück weiter in Richtung Au am Rhein. Hier kann man auf der Straße nicht mehr bis zum Fluss fahren, da sie schon vorher überflutet ist.

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© Günter Kromer

Das Wasser steigt jetzt um etwa 10 cm pro Stunde. An solchen Tagen sollte man keine allzu langen Spaziergänge durch den Auwald planen, denn ein Weg, der am Morgen noch trocken war, kann schon bald komplett unter Wasser stehen, so wie hier auf einer beliebten Wanderroute. Aber die Spannung, dass ich am Morgen oft noch nicht weiss, welche Pfade jetzt noch durchgängig begehbar sind und wo ich nicht mehr voran komme, erhöht für mich den Erlebnisfaktor dieser Landschaft.

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© Günter Kromer

Ich beschränke mich nun auf einen Spaziergang in einem etwas höher gelegenen Bereich, doch auch hier fließt das Wasser bereits über manche Wege. Egal, noch ist es nicht allzu tief und die Strömung ist hier nicht besonders stark. Wassertreten soll angeblich gesund sein. An drei Stellen plantsche ich jeweils 50 bis 100 m weit durch das Wasser. Zum Glück liegen trockene Socken und Schuhe in meinem Auto.

Morgen wird am Höhepunkt dieser Flut das Wasser so tief sein, dass es mir hier über den Kopf fließen würde. Faszinierend!

© Günter Kromer - Noch 2 Meter unter dem Höchststand#images-tours/thumbs/dsc-0363_1613407739.jpg
© Günter Kromer— Noch 2 Meter unter dem Höchststand

30.1.2021 Hochwasser

Gegen 11 Uhr zeigt Pegel Maxau bereits etwa  8,20 m an. Um Mitternacht wird mit 8:51 m der Höhepunkt erreicht werden. Ich habe schon einige stärkere Überschwemmungen erlebt, aber die Wassermengen begeistern mich jedes Mal.  2013 stieg das Wasser auf 8,68 m und 1999 sogar auf 8,84 m.

Die Wiese am Hafen bei Neuburg am Rhein steht jetzt natürlich unter Wasser.

© Günter Kromer - Neuburg am Rhein - Hafen#images-tours/thumbs/dsc-0016_1613407854.jpg
© Günter Kromer— Neuburg am Rhein - Hafen

Jetzt steht das Hochwasser überall direkt am Rheindamm. Der Blick auf den überfluteten Wald weckt in mir jedes Mal ein intensives Gefühl für die Kraft der Natur.

Natürlich soll man bei extremem Hochwasser nicht auf dem Deich wandern. Außerdem gefährdet der Hochwassertourismus die ohnehin jetzt gestresste Tierwelt. Daher gehe ich nur an einer Stelle kurz hinauf.

Feuerwehr und Deichwacht fahren ständig am Deich entlang und kontrollieren, wo und wieviel Wasser unten hindurch sickert. An einem großen Baum rennt ein Eichhörnchen auf und ab. In den nächsten Tagen wird es wohl keinen trockenen Boden erreichen.

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© Günter Kromer

Wo normalerweise viele Ausflügler zur Rheinfähre fahren, schwimmen jetzt nur Schwäne. Die vielen Nutrias, die es hier gewohnt sind, mit Brot und anderen für sie ungesunden Dingen gefüttert zu werden, müssen ihren Platz zum Betteln um 100 oder 200 m verlegen, aber hungern müssen sie heute wegen der vielen Schaulustigen ganz bestimmt nicht.

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© Günter Kromer

Eine noch recht junge Ringelnatter ruht sich direkt an der Wassergrenze auf dem Asphalt aus. Die ungiftigen Schlangen verkriechen sich im Winter an geschützten Stellen, doch diese hier hatte sich wohl den falschen Platz dafür ausgesucht. Zum Glück können Ringelnattern gut schwimmen. Zuerst glaube ich, sie sei tot, doch dann bewegt sie ihren Schwanz. Bald wird sie auch hier der Flut weichen müssen.

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© Günter Kromer

Bei Maximiliansau sehe ich das Ausmaß der Überschwemmung besonders deutlich. Die weiten Ackerflächen zwischen Friedhof und Rhein, über die man normalerweise zum Goldgrund fährt, stehen komplett unter Wasser.

© Günter Kromer - Ackerflächen bei Maximiliansau#images-tours/thumbs/dsc-0122_1613408454.jpg
© Günter Kromer— Ackerflächen bei Maximiliansau
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© Günter Kromer

Einige Kilometer weiter nördlich steht auch die Straße beim Hafen in Leimersheim bereits unter Wasser.

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© Günter Kromer

31.1.2021

Bei Maxau wurde der Höhepunkt der Flut um Mitternacht erreicht, weiter nördlich ein paar Stunden später. Aber im Bereich Speyer wirkt sich das Hochwasser heute deutlich weniger stark aus wie in der Region Karlsruhe. Am Morgen fahre ich nach Altrip. An einem etwas abseits vom "Hochwasser-Tourismus" gelegenen Baggersee versammeln sich viele Wasservögel.

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© Günter Kromer

Auf den angekündigten Sonnenschein muss ich leider verzichten, aber auch bei sehr trübem Wetter gefällt es mir in der überfluteten Wildnis.

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© Günter Kromer

Der ständige Wechsel zwischen Trockenheit und Überflutung ist für mich der faszinierendste Aspekt der Rheinauen. Anders als beim täglichen Auf und Ab der Gezeiten am Meer verändert sich der Auwald nur langsam und in nie langfristig vorhersehbaren Phasen, dafür aber umso stärker.

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© Günter Kromer

An manchen Stellen fließt das Wasser mit einer enorm schnellen Strömung an mir vorbei, an anderen scheint es im Wald stillzustehen.

Auf einer Informationstafel am Hochwasser-Lehrpfad lese ich, dass sich durch die Umgestaltung und Versiegelung der Landschaft sowie den Bau von Seitenkanälen und Staustufen die Geschwindigkeit der Hochwasserwellen drastisch erhöht hat. Hier steht, dass zwischen 1955 und 1977 130 Quadratkilometer Überflutungsfläche verloren gingen und eine Hochwasserwelle 1955 von Basel nach Karlsruhe noch 65 Stunden, 1977 aber nur 30 Stunden brauchte. Durch Planung und Bau vieler neuer Polder wird sich dies allmählich wieder ändern.

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© Günter Kromer

4.2.2021 Philippsburg

Zuerst spaziere ich im Bereich des Philippsburger Altrhein durch einen Auwald, der anders als die Wälder jenseits des Rheinhauptdamms nur teilweise unter Wasser steht.

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© Günter Kromer

Hier sind viele Wege inzwischen wieder begehbar und bieten einen guten Blick in die überschwemmten Wälder.

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© Günter Kromer

Auch von der Zufahrtsstraße zum ehemaligen Kernkraftwerk schaue ich auf das Hochwasser.

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Hier wurde der Damm nicht für Fussgänger gesperrt. Daher gehe ich noch ein Stück weiter, bis der Wander- und Radweg hinab ins Wasser führt.

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© Günter Kromer

Für mich ist die Hochwasser-Saison die faszinierendste Zeit in den Rheinauen. Ich staune jedes Mal, welch gewaltige Wassermengen hier Richtung Norden strömen. In wenigen Monaten werde ich dann wieder bei vielen Altrheinarmen den trockenen Grund sehen.

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© Günter Kromer

An manchen Stellen steht das Wasser auch auf den Wiesen.

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Nördlich des ehemaligen Atomkraftwerks wurden auf der rheinabgewandten Seite des Dammes für den Naturschutz große Überflutungsflächen angelegt. Auf den Wiesen am Rand versammeln sich heute mindestens 300 Kanadagänse, Nilgänse und andere Arten. Schon von weitem höre ich ihr Geschnatter.

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© Günter Kromer

Auch ein Dutzend Silberreiher steht am Ufer. Vor etwa 100 Jahren waren diese Vögel in vielen Regionen vom Aussterben bedroht, doch in diesem Winter sehe ich bei nahezu jedem Spaziergang in den Rheinauen welche, egal in welchem Bereich ich unterwegs bin.

 

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© Günter Kromer

Auf dem Rückweg sehe ich neben der Straße einen Fasan. Für mich ist ein Fasan ein typischer Vogel der Rheinebene, aber er ist kein natürlicher Bewohner dieser Gegend sondern wurde erst von den Römern über die Alpen gebracht.

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© Günter Kromer

Mein Buch über meine 2018 bis 2020 gewanderten 10.000 Kilometer auf Deutschlands schönsten Fernwanderwegen unterscheidet sich inhaltlich stark von den Texten auf dieser Homepage. Online stehen die sehr umfangreichen Streckenbeschreibungen im Vordergrund, im Buch beschränke ich diese dagegen auf die wesentlichen Elemente und erzähle statt dessen viel mehr über meine Erlebnisse und persönlichen Eindrücke beim Abenteuer Fernwanderung. Weitere Infos stehen hier:

https://d-wanderer.de/aktuelles.php

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